Drachenritter 04 - Der Drache im Krieg
was Gleingul mit seinem Sieg über die Seeschlange geleistet hatte, vergleichbar mit der Bezwingung des echten Drachen durch den echten heiligen Georg.
Nur warum Gleingul und die Schlange gekämpft hatten, das hatte ihm nie jemand erklärt. Aber wenn Seeschlangen etwas Ahnliches waren wie Unterwasserdrachen, und zwar insofern, als sie sich der Ansammlung von Gold- und Juwelenhorten widmeten, dann ergaben Rrrnlfs Worte durchaus einen Sinn.
»Ich verstehe«, sagte er nach einem Augenblick, »aber ich fürchte, ich kann Euch nicht helfen. Ich habe hier in der Gegend keine Seeschlangen gesehen ...«
»Ihr habt mir schon geholfen, als Ihr mir sagtet, in welcher Richtung das Meer liegt!« unterbrach ihn Rrrnlf. »Ich werde mich jetzt wieder meiner Suche zuwenden; und - fürchtet Euch nicht -, ich werde sie finden. Granfer sagte, daß die Seeschlangen aus irgendeinem Grund alle diese Insel ansteuerten. Die Schlange, hinter der ich her bin, könnte nach einem unterirdischen Versteck auf dieser Insel gesucht haben, obwohl ihnen Süßwasser nicht genehm ist und sie es um jeden Preis zu meiden trachten. Wir Seeteufel scheren uns nicht darum, ob Wasser salzig ist oder süß - oder ob wir an der Luft sind, wie ich es jetzt bin. Nun denn, gehabt Euch wohl. Ich stehe in Eurer Schuld, kleiner Magier. Ruft mich, wann immer Ihr mich braucht.«
Mit diesen Worten drehte er sich um, trat wieder in den See und begab sich zu dessen Mitte. Schritt für Schritt versank er im immer tieferen Wasser. Plötzlich fiel Jim etwas ein.
»Aber wie soll ich Euch finden?« rief er hinter Rrrnlf her.
Der Seeteufel sah noch einmal kurz über die Schulter um.
»Ruft mich vom Meeresufer aus!« dröhnte er zurück. »Das solltet sogar Ihr kleinen Leute wissen. Schickt Eure Botschaft mit der Brandung. Ich werde sie hören!«
»Aber... was ist, wenn Ihr Euch gerade auf der anderen Seite der Welt befindet?« rief Jim. Das Leben in dieser Gesellschaft des vierzehnten Jahrhunderts hatte ihn gelehrt, jede Gelegenheit einer Freundschaft beim Schöpf zu ergreifen. Er hatte keine Ahnung, in welcher Weise Rrrnlf ihm jemals von Nutzen sein konnte; aber es würde nicht schaden, wenn er in der Lage war, ihn zu rufen. Aber der andere war bereits untergetaucht.
»Wo auch immer im Ozeanmeer ich mich befinde, Eure Worte werden mich erreichen!« sagte Rrrnlf, der plötzlich noch einmal aufgetaucht war. »Das Meer ist voll von Stimmen, und sie verstummen nie. Wenn Ihr mich ruft, werde ich Euch hören, ganz gleich, wo ich bin. Gehabt Euch wohl!«
Dann verschwand er abermals unter der Wasseroberfläche.
Jim starrte den See an, bis das aufgewühlte Wasser sich schließlich geglättet hatte und mit keinem Plätschern mehr verriet, daß ihm jemals ein Riese entstiegen war. Nachdenklich verwandelte er sich wieder zu seiner ursprünglichen Größe zurück und machte sich daran, einen ganzen Armvoll Blütenzweige zu sammeln. Dann bestieg er sein Streitroß Gorp, das ganz in der Nähe gestanden und behaglich etwas von dem weichen, süßen Gras am Seeufer geknabbert hatte, und ritt heim zu seiner Burg.
Er brauchte nur kurze Zeit, um sie zu erreichen. Als er über die - zu Verteidigungszwecken - freigehaltene Fläche zwischen der Burg und den sie umgebenden Wäldern ritt, runzelte er die Stirn. Die Burg hatte etwas merkwürdig Verlassenes, das ihn beunruhigte. Er ließ Gorp in einen schnellen Trab verfallen und ritt wenige Augenblicke später mit vernehmlichem Klappern über die Baumstämme der Zugbrücke in den Burghof hinein.
Der Burghof war augenscheinlich leer. Sein ursprüngliches Gefühl der Beklommenheit wurde zu einer ausgewachsenen bösen Vorahnung. Hastig stieg er von Gorps Rücken und lief auf die Vordertür des Burggebäudes zu. Eine Sekunde später hatte er große Mühe, auf den Beinen zu bleiben, weil ihm jemand wie beim Football die Knie umklammerte. Er blickte hinab und sah das gequälte Gesicht des Burgschmieds, der die Knie seines Herrn in dem machtvollen Griff seiner ärmellosen, brandnarbenübersäten Arme umfaßt hielt.
»Mylord!« rief der Schmied, dem endlich bewußt geworden war, was da vor sich ging, da er den Wachposten gesehen hatte, der auf die Burg zugerannt war und etwas von einem Hexenkessel geschrien hatte. »Geht nicht hinein! Ein Hexenkessel hält die Burg in seinem Bann! Wir alle sind verloren, wenn auch Ihr in diesen Bann geschlagen werdet! Haltet Euch hier draußen in Sicherheit und schlagt dieses böse Ding mit Eurer Magie. Ansonsten
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