Drachenritter 04 - Der Drache im Krieg
Bois de Malencontri et Riveroak der Köchin (wie schon mehrere hundert Male zuvor) erklärte, daß sie sich nach einem Gang zum Abort die Hände waschen müsse, bevor sie das Fleisch aufschnitt.
Lady Angela bot in ihrem blausilbernen Gewand einen liebreizenden Anblick, aber dieser Umstand interessierte in diesem Augenblick weder sie noch die Köchin. Mit resigniertem Zorn - resigniert deshalb, weil es für sie als Burgherrin in der Burg immer etwas zu geben schien, worüber sie zornig sein konnte -raffte Lady Angela ihre Röcke und wandte sich in die Richtung, aus der die Schreie kamen.
Als sie in den Palas kam, stellte sie fest, daß die Bewaffneten sich im Verein mit anderen Dienern allesamt gegen die Wände drückten; währenddessen war es dem kleinen Kessel irgendwie gelungen, die hohe Tafel zu erklimmen, sich mitten darauf niederzulassen und in ein stetiges Pfeifen zu verfallen, als sei es Zeit für eine Tasse Tee - nicht nur für Carolinus, sondern für alle, die gerade in der Nähe waren.
»Mylady! Mylady!« plärrte der Torwächter, als sie an der Stelle vorbeikam, wo er sich etwa anderthalb Meter über dem Erdboden an eine der Säulen der Halle klammerte. »Es ist ein Hexenkessel! Vorsicht! Ihr dürft ihm nicht zu nahe kommen! Es ist ein Hexenkessel ...«
»Papperlapapp!« sagte Lady Angela, die aus einer alternativen Welt des zwanzigsten Jahrhunderts kam, deren Menschen nicht mehr an Hexenkessel glaubten.
Entschlossenen Schritts trat sie an den Wachposten vorbei zur hohen Tafel.
2
D ER D RACHENRITTER SELBST war derweil keine anderthalb Meilen von diesem Schauplatz entfernt. Es handelte sich hierbei um den guten Ritter Sir James Eckert, seines Zeichens Baron und im Namen des Königs Lord der Hohen sowie Niederen Gerichtsbarkeit für die Ländereien von Bois de Malencontri et Riveroak - auch wenn nur er selbst und seine Lady Angela wußten, wo dieses Riveroak lag.
Tatsächlich war Riveroak der Name der kleinen Stadt mit dem College des zwanzigsten Jahrhunderts, zu dessen Lehrkörper sie beide gehört hatten. Das war allerdings, bevor sie Dimensionen entfernt hier in einer Alternativwelt des vierzehnten Jahrhunderts gelandet waren, einer Welt mit Drachen, Ogern, Sandmerkern und dergleichen interessanten Charakteren mehr.
Für alle anderen hier war Riveroak ein unbekannter Ort; wahrscheinlich weit, weit fort jenseits der Westsee.
Doch zurück zu Sir James, der sein Lehen direkt vom König erhalten und überdies die Neigung hatte, die Ausübung jedweder Gerichtsbarkeit, sei sie nun Hoch oder Nieder, bei den Menschen auf seinen Ländereien nach Möglichkeit aus dem Wege zu gehen. Gegenwärtig war er jedenfalls damit beschäftigt, Blumen zu pflücken.
Er befand sich auf dem Rückweg von einem überlangen Aufenthalt hoch oben im Norden an der Grenze zwischen England und Schottland. Er hatte zum Blumenpflücken haltgemacht, weil er hoffte, daß ein seiner Gattin überreichtes Sträußchen einen Teil ihres verständlichen Ärgers über sein gewissermaßen überfälliges Erscheinen dämpfen mochte.
Auf diese Blumen aufmerksam gemacht hatte ihn sein Nachbar und engster Freund, der ebenso gute Ritter Sir Brian Neville-Smythe. Sir Brian war unglücklicherweise nur ein Junggesellenritter mit einer Burgruine, die er nur mit äußerster Mühe bewohnbar halten konnte. Aber sein Name galt etwas im Lande, und das nicht nur als >Gefährte des Drachenritters<, sondern auch als Meister der Lanze bei den vielen Turnieren, die seinerzeit in englischen Landen abgehalten wurden.
Sir Brian wiederum war in diesem Augenblick voll des Glücks gut vier Meilen entfernt auf dem Weg zu seiner Angebeteten, der schönen Lady Geronde lsabel de Chaney, der gegenwärtigen Herrin von Burg de Chaney. Ihr Vater, der Lord selbiger Burg, weilte schon seit einigen Jahren im Heiligen Land auf Kreuzzug.
Lady Geronde lsabel und Sir Brian konnten nicht heiraten, bevor ihr Vater zurückkehrte und seine Zustimmung gab. Aber sie konnten gewiß zusammenkommen - und taten dies auch bei jeder Gelegenheit. Sir Brian war ebenso wie Dafydd ap Hywel, der meisterhafte Bogenschütze und ein weiterer enger Freund und Gefährte, mit Sir James oben an der schottischen Grenze gewesen. Die drei hatten die Burg von Sir Giles de Mer besucht, einem vierten treuen Gefährten und guten Ritter. Genau wie James kehrte auch Dafydd erst jetzt zu seinem Heim zurück, das einen Halbtagesritt entfernt lag. In seinem Schlepptau hatte er die Schar der Gesetzlosen
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