Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
klar, daß Angie eine seltene Gelegenheit genutzt hatte, sich eine Ruhepause von ihren Verpflichtungen zu gönnen. Sie ließ sich in den Sessel zurücksinken und blickte ihn nicht allzu erfreut an.
»Weshalb hast du mich geweckt?« wollte sie wissen.
»Tut mir leid, Angie«, sagte Jim. »Mir war nicht klar, daß du schlafen würdest.«
Es tat ihm wirklich leid. Aber etwas sagte ihm, daß Angies Fall in gewisser Weise ähnlich lag wie der seine: Genausowenig, wie er alles selbst hätte tun müssen, was Carolinus und auch alle anderen von ihm verlangten, hätte Angie sich die ganze Sache mit Robert allein auf ihre Schultern laden müssen. Wenn Angie wie fast alle anderen Frauen von ihrem Rang und ihrer Autorität in diesem Zeitalter gewesen wäre, hätte sie Robert ausschließlich den Dienern überlassen und ihn im Laufe der Vergnügungen dieser Festlichkeiten beinahe vollkommen vergessen.
»Was gibt es denn?« fragte sie. »Ich habe mich nur für einen Augenblick hingesetzt und plötzlich stehst du vor mir!«
»Ich konnte ja nicht ahnen, daß du eingedöst warst«, sagte Jim. »Du solltest wirklich mehr hinausgehen, weißt du. Die Amme und Enna können sich durchaus um Robert kümmern, und falls irgend etwas passiert, kann eine bei dem Kind bleiben und die andere loslaufen, um dich zu suchen.«
»Vielleicht...« Aber Angie hatte immer noch ein klein wenig Ähnlichkeit mit einer Katze, deren Fell man in die falsche Richtung gestrichen hatte. »Also, was gibt es? Weshalb bist du zu mir gekommen?«
»Ich wohne hier, weißt du noch?«
»Das stimmt«, sagte Angie, »das tust du.«
Ein Teil ihres Ärgers schien dahinzuschwinden.
»Aber ich könnte schwören«, sagte sie, »daß du mir etwas erzählen wolltest, als du mich geweckt hast.«
»Um genau zu sein«, entgegnete Jim, »gibt es eine Menge Dinge, die ich dir gern erzählen würde; ich hatte bisher nur keine Gelegenheit. Wer ist im Nebenzimmer - außer Robert, meine ich?«
»Enna«, antwortete Angie. »Wenn Robert schläft, schlafen alle. Nun setz dich und erzähl mir, was du mir erzählen wolltest.«
»Es geht um mehrere Dinge«, sagte Jim, während er sich setzte. Automatisch griff er nach einem Weinglas, dem Weinkrug und der Wasserflasche.
»Du trinkst zuviel«, sagte Angie.
»Hier trinken alle zuviel.« Jim füllte sein Glas zur Hälfte mit Wein und zur Hälfte mit Wasser. »Aber in diesem Fall brauche ich das. Ich habe mich mit dem Grafen herumgeschlagen und versucht, ein Gespräch zwischen ihm und diesem Mnrogar herbeizuführen. Ich habe dir von dem Troll erzählt.«
»Ja, ich bin, was Mnrogar betrifft, auf dem laufenden«, antwortete Angie. »Aber warum wollte er mit dem Grafen reden?«
»Wollte er gar nicht«, sagte Jim. »Und der Graf wollte auch nicht mit ihm reden. Ich möchte, daß die beiden miteinander reden, damit sie vielleicht eine Möglichkeit finden, daß Mnrogar die Witterung des maskierten Trolls aufnehmen kann, der sich unter den Gästen befindet.«
»Ich kann einfach nicht glauben, daß es einen maskierten Troll unter uns geben soll«, sagte Angie.
»Ich weiß«, pflichtete Jim ihr bei. »Auch mir fällt es schwer, das zu glauben. Nicht einmal für Carolinus war es vorstellbar. Aber Mnrogar schwört, daß es einen Troll hier oben gibt. Und mehr als das, er regt sich furchtbar deswegen auf. Ich habe dir doch erklärt, daß dies sein Territorium ist und daß kein Troll sich hierher wagen darf, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Angie.
»Die Schwierigkeit besteht darin«, sagte Jim, »daß die beiden sich an einem Ort außerhalb der Burg treffen müssen. Ich glaube, mit Hilfe von Chandos habe ich den Grafen gerade eben zu dieser Besprechung überreden können.«
Er erzählte ihr von seiner Begegnung mit dem Grafen und Chandos.
»Na schön«, sagte Angie, die nun wieder bei der Sache war, »dann hast du jetzt keine Sorgen mehr.«
»Ha!« sagte Jim.
»Das sagst du in letzter Zeit ziemlich oft«, meinte Angie.
»Na ja, alle anderen hier sagen es auch«, erwiderte Jim.
»Die Männer sagen es«, bemerkte Angie in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran ließ, wie minimal sich ihrer Meinung nach die Gespräche unter Männern weiterentwickelt hatten, seit die Menschen nicht mehr in Höhlen lebten. »Aber du meinst, du hättest noch andere Sorgen?«
»Und ob«, entgegnete Jim. »Unser Burgkobold hat mich unlängst in diesem Zimmer aufgesucht. Die Drachen wollen allesamt an der Feier des Grafen teilnehmen. Giles ist hier, und Brian
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