Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
sah Carolinus hilfesuchend an, aber Carolinus' Gesicht war ausdruckslos. Dann schenkte ihm die Erinnerung an das in luftiger Höhe hängende Schwert plötzlich eine Erleuchtung.
»Lady Agatha«, sagte er, »Eure Kinderfrau hat uns erzählt, daß Ihr nach Eurer Rückkehr zu Eurer Familie sehr an einem Stein gehangen hättet, den Ihr ständig bei Euch trugt. Habt Ihr diesen Stein auch jetzt bei Euch?«
Agatha Falon starrte ihn wütend an.
»Was spielt das für eine Rolle, ob ich ihn bei mir habe oder nicht?« brauste sie auf.
»Seid nicht töricht!« rief Angie. »Er versucht doch nur, Euch und diesem Troll zu helfen.«
»Wenn Ihr ihn bei Euch habt«, sagte Jim, »dürfte ich ihn dann bitte sehen?«
Einen Augenblick lang zeigte Agatha keinerlei Regung. Dann griff sie in die Börse an ihrem Gürtel und holte etwas heraus, das ein wenig kleiner als ein Tennisball zu sein schien. Zuerst sah es so aus, als würde sie ihn mit einiger Wucht auf Jim schleudern, dann ließ sie den Arm jedoch wieder sinken und warf ihn ihm lediglich zu.
Er fing ihn mit einer Hand auf, während er mit der anderen das Kästchen auf seinen Knien festhielt - aber trotzdem brannte der Stein auf der Haut seiner Hand. Er war schwer und hart, obwohl er vollkommen von einer dicken Schicht aus irgendeinem feinverwobenen Material überzogen zu sein schien.
Jim hielt sich den Stein dicht unter die Nase und beschnupperte ihn. Dann gab er ihn an Brian weiter.
»Sprecht Eure Gedanken noch nicht laut aus, Sir Brian«, sagte er, »aber würdet Ihr so freundlich sein, daran zu riechen?«
Brian nahm den Stein mit erhobenen Augenbrauen an. Er hielt ihn an die Nase, ließ ihn dann sinken und sah Jim an.
»Ist Euch dieser Geruch schon je zuvor untergekommen?« fragte Jim.
»Jawohl«, sagte Brian. »Es war der Gestank, den wir in der Höhle dieses Trolls hier gerochen haben, unter der Burg, als wir auf Magier Carolinus' Geheiß zu ihm gingen, um ihn zur Rede zu stellen.«
»Ja«, sagte Jim und nahm den schweren Stein wieder an sich. »Genau das war auch mein Eindruck, als ich an dem Stein gerochen habe. Seinem Gewicht nach zu urteilen würde ich sagen, es ist wirklich ein Stein, und er ist vollkommen mit etwas bedeckt, das mit einem starken Trollgeruch behaftet ist. Wie jeder sehen kann, haben Trolle einen feinen Pelz, mit dem sie über und über bedeckt sind. Zweifellos werfen sie diese Behaarung zu gewissen Zeiten ab, wie andere bepelzte Geschöpfe das auch tun. Als wir unten in der Höhle waren, ist mir aufgefallen, daß dieses Haar an den Wänden klebte, und wenn Mnrogar achtzehnhundert Jahre sein Körperhaar abgeworfen hat, ist es auch kein Wunder. Wenn dieser Stein aus der Höhle unter der Burg stammt, dann muß er ebenfalls mit Trollhaar bedeckt sein und stark nach Troll riechen...«
»Ihr habt vollkommen recht, Jim«, sagte Carolinus. »Trolle haaren tatsächlich; und in annähernd zweitausend Jahren muß die Höhle über und über von Mnrogars Haaren bedeckt sein. Außerdem ist wahrscheinlich jedes noch so kleine Stückchen Stein da unten mit einer Schicht dieser Haare überzogen.«
»Magier!« rief der Bischof. »Warum habt Ihr die beiden Ritter in die Höhle des Trolls hinuntergeschickt? Welche Anweisungen habt Ihr ihnen gegeben?«
Carolinus drehte sich um und lächelte ihn huldvoll an.
»Bei allem Respekt vor Eurem hohen Amt, Exzellenz«, sagte er leutselig, »muß ich, wo es um Belange der Magie geht, auf das Privileg der Vertraulichkeit pochen.«
Die Kiefer des Bischofs klappten zu, aber er sagte nichts mehr. Schließlich wandte Carolinus sich wieder an Jim.
»Ich hatte den Eindruck, daß Ihr gerade etwas vorschlagen wolltet, Jim«, sagte er.
»Nur, daß Lady Agatha, wenn sie dies hier bei sich trug, für einen anderen Troll aus einiger Entfernung unweigerlich ebenfalls wie ein Troll riechen mußte. Ich glaube, daß ich, so beschränkt meine eigene menschliche Nase ist, diesen Ball selbst auf Armeslänge riechen könnte.« Er sah zu Agatha hinüber.
»Ihr werdet wohl nicht leugnen, Lady Agatha«, sagte er, »daß es dieser Stein war, mit dem Ihr während Eures Aufenthalts hier mit Mnrogar gespielt habt?«
»Nein. Das leugne ich nicht«, sagte Agatha.
»Also«, meinte Jim nun und wandte sich wieder dem Tisch zu. »Mit allem schuldigen Respekt, Exzellenz, ich möchte hiermit erklären, daß kein Zweifel mehr daran bestehen kann, daß Agatha Falon als Kind ihrem Vater geraubt wurde, und daß ihr Vater schlecht beraten war, sie nach
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