Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
kannst mich dort abholen, wenn du fertig bist, so daß wir zusammen in den Rittersaal hinuntergehen können.«
Sie erhoben sich aus ihren Sesseln. Angie lächelte ihm zu und nahm ihn in die Arme.
»Keine Sorge«, sagte sie. »Ich werde darüber nachdenken, wie du die Sache in den Griff bekommen könntest.«
Jim, den ihre Worte trösteten, sah sie an dem Wandvorhang vorbei ins Nebenzimmer verschwinden, rollte seine Schlafunterlage auf und machte sich auf den Weg zu Brians Quartier. Aber als er den Flur hinunterging, kam ihm eine Idee. Er saß an der hohen Tafel, Brian nicht. Brian würde sich also frei bewegen können und wahrscheinlich nicht vermißt werden, während Jim bei gleichem Verhalten aufgefallen wäre. Er wußte noch nicht genau, wie Brians Bewegungsfreiheit genutzt werden konnte, aber er hatte das Gefühl, als wäre dies der Kern einer Idee, wenn nicht mehr.
Er klopfte an Brians Tür, rechnete jedoch im Grunde nicht damit, Brian in seinem Zimmer vorzufinden. Aber zumindest sein Knappe oder einer seiner Bewaffneten sollte dort sein, um Brians Besitz zu hüten. Theoluf hätte für gewöhnlich dasselbe für Jim getan, aber die Gegenwart des Babys hatte alles verändert, und Theoluf selbst nutzte nur allzugern seine Freiheit, um ein Auge auf die Bewaffneten zu haben. Aber wider Erwarten öffnete Brian ihm selbst die Tür und bat ihn hinein.
»Ah, James!« sagte er. »Wie schön, Euch zu sehen! Wie sehe ich aus?«
Brian drehte sich vor Jim einmal um seine eigene Achse. Er hatte sich offensichtlich bereits für die Hauptmahlzeit der Feiertage angekleidet; er trug einen blauen Rock, der nur leicht verblichen war, und dazu kleine, sehr saubere, erst jüngst neu geschwärzte Schuhe. Sein Rittergürtel mit dem in der Scheide steckenden Dolch war das einzig Prächtige an ihm; er war eine der Trophäen eines Turniers gewesen, an dem er an diesem Tag teilgenommen hatte.
All dies schmückte einen mageren, durchtrainierten, sehnigen Körper. Sein Freund mochte zwar nur einen Meter fünfundsiebzig messen, hielt sich aber, als sei er mindestens einen Kopf größer - und das mit Recht.
Brian hatte mit vielen Männern gekämpft, die um einiges größer, schwerer und möglicherweise auch stärker waren als er - und hatte sie besiegt.
»Ihr seht ganz hervorragend aus, Brian«, sagte Jim und meinte es auch so.
»Ha!« rief Brian zufrieden und drehte sich wieder um. »Sehr freundlich von Euch, das zu sagen, James. Ich möchte mir nicht nachsagen lassen, ich könne mich nicht meiner Stellung geziemend kleiden.«
Plötzlich kehrte er ihm wieder den Rücken zu.
»Aber dennoch, James«, fuhr er ängstlich fort, »würdet Ihr so gut sein, den Kragen hinten an meinem Rock zu begutachten? Er ist ein wenig abgenutzt. Eine Frau in meiner Burg, die sich bestens auf den Umgang mit der Nadel versteht, hat ihn nach innen gewendet, um die abgenutzte Stelle zu verbergen. Aber wenn ich den Rock jetzt trage, will mir scheinen, als könnte ich im Nacken immer noch die rauhe Stelle in dem Stoff fühlen. Sagt mir, seht Ihr den Schaden, wenn Ihr hinter mir steht?«
Jim betrachtete den Kragen von Brians Rock. Die abgenutzte Stelle, von der er gesprochen hatte, war kaum noch zu sehen, aber eben doch nicht ganz verdeckt. Dennoch mußte man genau hinter Brian stehen und angestrengt dessen Nacken studieren, um die schadhafte Stelle zu finden.
»Ich sehe nichts«, sagte Jim.
»Ah, das erleichtert mich«, erwiderte Brian und drehte sich um. »Seid Ihr bereit, in den Saal hinunterzugehen, James? Wo ist Angela?«
»Sie wird hierherkommen, um mich abzuholen, wenn sie soweit ist«, sagte Jim. »Wenn Ihr warten wollt, können wir alle zusammen hinuntergehen.«
»Aber natürlich warte ich!« sagte Brian. »Wahrhaftig, es kann meinem Ruf bei den Gästen hier nur von Nutzen sein, wenn man sieht, daß ich gemeinsam mit Euch, Lady Angela und Geronde zum Mahl erscheine und nicht nur mit Geronde allein. Wenn der Haushofmeister Euch ankündigt, muß er mich zwangsläufig mit gleicher Lautstärke nennen, und alle Augen in der Halle werden sich natürlich auf uns vier richten.«
»Ihr unterschätzt Euch, Brian«, meinte Jim. »Angie und ich sind diejenigen, denen es zur Ehre gereichen wird, gemeinsam mit dem wohlbekannten Sieger so vieler Turniere einzutreten. Mit einem der hervorragendsten Ritter Englands.«
»Nun, nun«, wiegelte Brian ab, »ich würde mich keinesfalls einen der hervorragendsten Ritter Englands nennen, aber lassen wir das. Wenden wir
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