Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
seinen absatzlosen Schuhen bewegte. Jim kehrte in das Zimmer zurück.
Er setzte sich hin, um zu warten. Es dauerte nicht mehr als zehn Minuten, da öffnete sich die Tür, und Chandos trat ein. Wilfred stand im Eingang, bis Jim ihm zunickte, daß er die Tür hinter sich schließen könne.
»Eure Dame wäre ebenfalls mitgekommen.« Chandos ging zu dem Sessel hinüber, auf dem der Prinz lag. Er blickte auf den jungen Mann hinab, der nun offensichtlich in einen trunkenen Schlummer gesunken war. »Ich habe meine Worte neben den Euren in die Waagschale geworfen, um sie von diesem Gedanken abzubringen. Es gibt schon mehr leere Plätze an der hohen Tafel, als das zu diesem Zeitpunkt des Mahls der Fall sein sollte.«
Er wandte den Kopf um und sah Jim durchdringend an.
»Hat er gesagt, was ihn anficht?« fragte Chandos.
»Agatha Falon.« Jim war versucht, ein Wort über den königlichen Vater des Prinzen hinzuzusetzen; aber bei einem Mann von Chandos' Geistesschärfe war das wohl kaum erforderlich.
Chandos nickte und warf noch einen Blick auf den Prinzen.
»Dennoch, so etwas darf einfach nicht passieren«, meinte Chandos.
»Ich wußte nicht, wie ich ihn ohne Aufmerksamkeit zu erregen in sein Quartier zurückschaffen konnte, sagte Jim. Zumindest die Diener hätten gewiß etwas bemerkt. Das ist der Grund, warum ich meinen Bewaffneten nach Euch geschickt habe. Ich hoffe, Ihr haltet mich nicht für allzu dreist, daß ich Euch in diese Angelegenheit verwickle ...«
»Aber nicht doch, James«, widersprach Chandos. »Es wird bei weitem besser sein, wenn man ihn in diesem Zustand in meiner Gesellschaft sieht als in Eurer. Wenn Ihr mir Euren Bewaffneten borgen würdet, könnten wir ihn gemeinsam in mein Quartier bringen, das nicht so weit von hier entfernt liegt wie das seine. Mit etwas Glück werden wir unterwegs niemandem begegnen. Sobald wir dort sind, lasse ich ihn schlafen. So etwas wird nicht noch einmal vorkommen, wenn ich mit ihm gesprochen habe.«
Er sah Jim an.
»Er wird am Morgen wieder soweit ernüchtert sein, daß er zuhören kann. Und in diesem Kopf sitzt ein zu scharfer Verstand, als daß er nicht begreifen würde, daß er mit einem solchen Benehmen einer Frau wie Agatha Falon in die Hände spielt, statt sich vor ihr in acht zu nehmen. Würdet Ihr nun Euren Bewaffneten holen?«
Jim ging zur Tür und rief Wilfred herein.
Mit Jims Hilfe bekamen sie den Prinzen auf die Beine, legten einen seiner Arme schlaff über Chandos' und den anderen über Wilfreds Schulter; sowohl Sir John als auch der Bewaffnete hielten jeweils einen Arm umfangen, legten ihre freien Arme um die Mitte des Prinzen und hielten ihn mit vereinten Kräften aufrecht.
Jim öffnete die Tür, und sie gingen hinaus in den Korridor. Er war leer.
Chandos wandte sich zum Gehen und sah Jim an.
»Hey-ho«, seufzte Chandos, »und das so kurz vor dem Jahrestag der Geburt unseres Herrn. Eine schöne Weihnachtsgesellschaft ist das bei unserem Grafen dieses Jahr - und dabei hat sie erst begonnen. Ich wünsche Euch noch einen schönen Abend, James.«
10
»Du siehst also«, sagte Jim zu Angie, »nichts von alledem geht mich im Grunde genommen etwas an, aber wie gewöhnlich stecke ich mal wieder mittendrin.«
Es war spät am Vormittag des Weihnachtstages. Er und Angie saßen in dem äußeren Raum ihres Quartiers. Robert lag in festem Schlaf im Nebenzimmer, und es war niemand bei ihm. Angie hatte die Amme zu einer Besorgung fortgeschickt und dafür gesorgt, daß auch die Dienstfrau, die sie aus Malencontri mitgebracht hatten, nicht zugegen war, damit sie unter vier Augen reden konnten. Jim hatte bisher vergebens auf eine Gelegenheit gewartet, mit ihr zu sprechen, seit der Prinz in diesem Zimmer zu Gast gewesen war.
Angie hatte zwar einige Pflichten wie die mitternächtliche heilige Messe in der Burgkapelle umgehen können, aber Jim konnte nicht umhin, dort zu erscheinen. Dabei konnte er noch von Glück sagen, daß er als Gast der hohen Tafel behandelt wurde; so hatte er sich setzen können, wenn auch nur auf eine harte, ungepolsterte Bank in der Nähe des Altars. Die meisten der Gäste der Burg hatten stehen müssen, sonst hätten sie sich nicht alle in die kleine Kapelle zwängen können.
Auf diese Weise war er bis nach Mitternacht aufgewesen und hatte überdies die wahrscheinlich notwendige, aber unbequeme Entscheidung getroffen, bei einer Wildschweinjagd zu erscheinen, die für den Morgen des Weihnachtstages angesetzt war - eine Jagd, von der
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