Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
selbst, und sein Gesicht zeigte keinerlei Ausdruck.
Jim war die Situation ein wenig peinlich. Er hatte Sir Harimore vor seinem Zusammenstoß mit Brian im Palas des Grafen am Tag vor Weihnachten nie gesehen, und Sir Harimore mußte gehört haben, daß Jim ein enger Freund Sir Brians war. Aber der Mann schien nichts anderes im Sinn zu haben als ganz gewöhnliche Freundlichkeit. Jim gab sich Mühe, es ihm nachzutun.
»Ihr habt mich gerade Sir Drache genannt«, bemerkte Jim. »Das ist heute nicht das erste Mal, daß mich jemand so nennt. Genau betrachtet genügt Sir James - James Eckert. Das ist der Name, an den ich gewöhnt bin.«
Sir Harimore wandte sich abrupt zu ihm um und warf Jim einen stählernen Blick zu.
»Sir Harimore Kilinsworth zu Euren Diensten!« sagte er. »Habe ich Euch beim falschen Namen genannt, Sir?«
»Nein, nein«, sagte Jim beschwichtigend. »Durchaus nicht, Sir Harimore. Es ist nur so, daß ich nicht daran gewöhnt bin, Sir Drache genannt zu werden.«
Der Stahl in Sir Harimores Blick schmolz.
»Wenn man von Euch spricht, werdet Ihr gewöhnlich Sir Drache genannt«, sagte er. »Ich vermute nun, daß es sich um eine Art Beinamen handelt.«
»Zweifellos«, antwortete Jim hastig. »Ich habe keine Einwände dagegen, daß man mich Sir Drache nennt. Um genau zu sein, interessiert es mich gar nicht, ob die Leute mich so nennen. Es macht wirklich keinen Unterschied, ob ich >Sir Drache< oder >Sir James< bin - solange ich nur mitbekomme, daß ich derjenige bin, von dem - oder mit dem - gesprochen wird.«
»Ha!« rief Sir Harimore. »Ich werde es mir merken und jedem sagen, der mich danach fragen wird.«
»Vielen Dank«, sagte Jim.
»Nicht der Rede wert.« Sir Harimore blickte stur geradeaus und führte sein Pferd zwischen zwei dicht nebeneinander stehenden Bäumen hindurch. Dann drangen sie in einen dichteren Teil des blattlosen Waldes ein. »Vielleicht sucht Ihr auch nach Sir Brian Neville-Smythe?«
»Ja, ich hatte mir schon gedacht, daß Lady Angela bei derselben Jagdgesellschaft sein könnte wie er.«
»Was das betrifft, bin ich mir nicht so sicher«, meinte Sir Harimore. »Ich habe aus der Ferne nur Eure Dame und Sir John Chandos erkannt. Aber es waren noch zwei andere Männer bei der Gesellschaft, von denen einer durchaus Sir Brian gewesen sein könnte. In jedem Falle werden wir es in Kürze erfahren.«
Jim fragte sich unwillkürlich, ob er nicht irgend etwas unternehmen konnte, um Brian und diesen Ritter miteinander auszusöhnen.
»Ihr kennt Sir Brian schon einige Zeit?« fragte er.
»So ist es«, erwiderte Sir Harimore. »Ich bin mehrmals bei Turnieren gegen ihn geritten, und ich bin ihm auch bei verschiedenen anderen Gelegenheiten begegnet.«
»Er ist ein braver Ritter.« Jim wählte eine ungefährliche Ausdrucksweise, die auf jeden angewandt werden konnte, der die Sporen und den Gürtel eines Ritters trug.
»Er ist hochmütig«, sagte Sir Harimore. »Aber ein Edelmann, das muß ich ihm lassen. Und ein guter Mann, wenn es um die Benutzung seiner Waffen geht.«
Das entsprach Brians Beschreibung von Sir Harimore, nachdem Jim Zeuge ihrer Begegnung im Saal geworden war. Plötzlich wurde Jim bewußt, daß Sir Harimore ihn abermals ansah, und auch der stählerne Ausdruck war in seine Augen zurückgekehrt.
»Verstehe ich recht, daß Ihr Sir Brians kleinen Zwist mit mir aufgreifen wollt, Sir James?« Nun hatte auch Sir Harimores Stimme wieder eine stählerne Schärfe angenommen.
»Aber nein, auf keinen Fall. Von welchem Zwist redet Ihr?« fragte Jim unschuldig.
»Ihr mögt ja über einige Magie gebieten, Sir James, aber das spielt für mich nicht die leiseste Rolle. Wenn es Euer Wunsch ist, daß wir uns hier und jetzt mit diesem Zwist auseinandersetzen, braucht Ihr nur ein einziges Wort zu sagen.«
»Oh«, erwiderte Jim hastig. »Ich könnte bei einer Begegnung mit einem Ritter keine Magie anwenden. Das ginge einfach nicht an. Aber andererseits habe ich, wie ich bereits bemerkte, keinerlei Absicht, mit Euch -ähm - zu disputieren.«
Der Stahl schwand dahin, aber Sir Harimores Blick war weiterhin auf Jim gerichtet. Der Ritter schien jetzt beinahe ein wenig verwundert zu sein.
»Keine Magie?« fragte Harimore. »In diesem Fall, Sir James, muß ich mich doch wundern, warum Ihr glaubtet, einen Mann wie mich herausfordern zu können.«
»Ich habe Euch gar nicht herausgefordert«, sagte Jim, aber nun schwang in seiner Stimme eine gewisse Gereiztheit mit. Sir Harimores Beharren, Jim könne
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