Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
meinst du nicht auch? Außerdem sollte ich, da es sich um eine religiöse Szene handelt, vorher mit dem Bischof reden und feststellen, ob es irgendwelche religiösen Einwände gibt.«
»Warum sollte es religiöse Einwände geben?« fragte Angie.
»Das weiß ich nicht«, sagte Jim. »Aber denk daran, daß wir es mit der Kirche des Mittelalters zu tun haben. Bisher hat niemand eine Krippenszene erwähnt. Wenn die Leute nicht darüber reden, haben sie vielleicht aus dem einen oder anderen Grund Vorbehalte dagegen.«
Angie sah ihn enttäuscht an.
»Ich weiß nicht, ich habe nur über die verschiedenen Möglichkeiten nachgedacht«, setzte Jim schnell hinzu. »Aber ich wüßte nicht, warum sich das nicht machen lassen sollte. Ich weiß zwar noch nicht, wie ich den Troll unsichtbar machen soll, damit er alle beschnuppern kann, oder ob er in einem Raum voller Leute überhaupt den Geruch eines Trolls ausmachen könnte. Mir scheint, das wäre vielleicht doch ein wenig schwierig für ihn. Aber laß mich noch einmal nachdenken. Vielen Dank, Angie. Das ist eine wirklich gute Idee. Ich will lediglich die Einzelheiten überprüfen und feststellen, ob es sich wirklich machen ließe. Wir wollen doch nicht vorpreschen, nur um dann festzustellen, daß wir irgendwelche Einwände übersehen haben. Und vergiß nicht, wenn wir etwas Derartiges täten und die Leute sich aufregten, könnte das meine Chancen auf Roberts Vormundschaft verringern.«
»Daran habe ich gar nicht gedacht«, sagte Angie. »Du hast recht, Jim. Du solltest die Sache besser von allen Seiten betrachten. Aber in der Zwischenzeit kann ich schon mal über Kostüme und dergleichen nachdenken.«
»Ja, tu das«, sagte Jim.
Es war seltsam; so verrückt die Idee klang - und schließlich hatte er wahrhaftig schon genug andere Dinge im Kopf -, sie hatte eindeutig etwas Verlockendes an sich, das ein prickelndes Gefühl in ihm auslöste. Aber in der letzten Zeit war einfach zuviel passiert. Im Augenblick war er keines klaren Gedankens fähig. Da kam ihm plötzlich etwas anderes in den Sinn.
»Sag mal«, meinte er zu Angie, »heute ist doch immer noch der erste Weihnachtstag, oder?«
»Der späte Abend des ersten Weihnachtstages.« Angie hatte die Hand bereits auf den Vorhang gelegt, der die Tür zum Nebenzimmer bedeckte. Sie wollte ihn offensichtlich allein lassen. »Warum?«
»Ach, ich weiß nicht«, antwortete Jim. »Ich hatte anscheinend Schwierigkeiten, klar zu denken. Dann wurde mir klar, daß ich glaubte, der erste Weihnachtstag sei gestern gewesen. Wahrscheinlich bin ich einfach müde. Heute ist mehr passiert, als ich dir in der ganzen nächsten Woche erzählen könnte.«
»Ach ja?« Angie ließ den Vorhang los und kehrte ins Zimmer zurück. »Was ist denn passiert?«
»Das ist der Grund, warum ich ...« Jim brach ab und gähnte herzzerreißend. »Ich glaube, ich bin nicht in der Verfassung, um dir ausgerechnet jetzt alles zu erzählen. Ich...«
Aus dem Flur erklangen Stimmen, deren Lautstärke das gewohnte Maß eindeutig überstieg.
»Tritt beiseite, du elender Kerl!« rief eine der Stimmen laut aus. »Was denkst du dir überhaupt dabei, mir mit solchen Fragen zu kommen?«
»Mylady hat es mir aufgetragen«, entrüstete sich die andere Stimme. »Stell Fragen, bis ich hinausgelaufen komme, dann dreh dich langsam im Zimmer um und frag, ob ich jemanden einlassen möchte.«
»Ach ja? Dann frag, Bursche!« rief die erste Stimme -jetzt jedoch mit ein wenig verringerter Lautstärke. »Du weißt, wer ich bin. Also frag!«
»Jawohl, Sir Brian!«
Die Tür wurde geöffnet, und der Bewaffnete aus dem Flur schob sein bleiches Gesicht hindurch.
»Mylady - Mylord?« Das bleiche Gesicht starrte Jim an, der nicht an dem Bewaffneten vorbeigekommen, aber dennoch da war. Der Wachmann schluckte und riß sich zusammen. »Sir Brian begehrt Einlaß, Mylord, Mylady...«
»Dann laß ihn ein«, sagte Angie.
Brian wurde eingelassen. Er war nicht betrunken, aber offensichtlich auch nicht mehr ganz nüchtern.
»James!« rief er mit einer Stimme, die Jim auch aus fünfzig Metern Entfernung hätte verstehen können. »Schön, Euch zu sehen. Ihr seid also wieder da ...«
»Pst!« zischte Angie, und ihr Zischen klang so nachdrücklich, daß Brians Tonfall augenblicklich fast auf ein Flüstern herabsank.
»Man hat mich gebeten hinaufzugehen, James, um nachzusehen, was es Neues von Euch gäbe. Ihr müßt hinunter kommen. Wir sind alle im Palas versammelt. Ihr müßt hinunterkommen.
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