Drachenruf
Prinzessin! Jetzt ist Schluss mit dem Gesang.«
»Die dort brauchen die Übung!« Silvina deutete zum Saal hinauf. »Aber nun muss ich das Frühstück des Harfners richten und dir ein Quartier verschaffen...« Sie unterbrach sich und betrachtete die Feuerechsen. »Was fangen wir nur mit denen an?«
»Wenn sie so satt sind wie jetzt, schlafen sie meist.«
»Gut, gut - aber wo? Ach, du liebe Güte...«
Menolly bemühte sich, ernst zu bleiben, als sie Silvinas Verwirrung sah, denn alle Echsen bis auf Prinzessin, die wie gewohnt auf ihrer Schulter saß, waren verschwunden. Sie deutete auf das gegenüberliegende Dach, wo die kleinen Geschöpfe jetzt aus dem nichts landeten.
»Sie - sie gehen ins Dazwischen?«, staunte Silvina. »Der Harfner deutete schon an, dass sie viel Ähnlichkeit mit Drachen besitzen.«
»Ich kenne die Eigenheiten der Drachen nicht, aber es stimmt, dass Echsen ins Dazwischen tauchen. Gestern Nacht folgte mir mein Schwarm vom Benden-Weyr hierher.«
»Und sie gehorchen aufs Wort! Ich wollte, das könnte man auch von den Lehrlingen behaupten.« Dann zog Silvina das
Mädchen mit in die Küche. »Camo, dreh den Spieß! Camo, dreh jetzt den Spieß! Und ihr anderen habt wohl in den Hof hinausgegafft, anstatt hier weiterzuarbeiten!« Die Wirtschafterin sah sich mit gerunzelter Stirn um. Sofort nahmen die Mägde und Köche ihre verschiedenen Tätigkeiten wieder auf. »Ich habe eine Idee, Menolly. Du bringst Meister Robinton das Frühstück nach oben, dann kannst du gleich einen Blick auf dieses verflixte Ei werfen. Anschließend will ich Meister Oldive bitten, dass er sich deine Sohlen ansieht, obwohl ich volles Vertrauen in Manoras Heilkunst habe. Und...« Silvina hielt Menollys linke Hand fest und betrachtete düster die rote Narbe. »Sag, Kind, wo hast du dir diese grässliche Wunde geholt? Und welcher Heiler hat sie so stümperhaft behandelt? Kannst du überhaupt richtig damit greifen?« Während Silvina sprach, hatte sie das Frühstück des Harfners auf ein Tablett gestellt, das sie nun Menolly in die Hände drückte. »Hier. Sein Zimmer befindet sich zwei Türen rechts von deinem. Du sollst den Spieß drehen, Camo, und dich nicht einfach nur daran festhalten! Menollys Feuerechsen sind satt und schlafen. Du darfst sie später wieder anschauen. Dreh den Spieß jetzt!«
Menolly verließ die Küche so rasch, wie sie es mit ihren steifen Füßen vermochte, und ging die breite Treppe zum zweiten Stock hinauf. Prinzessin summte an ihrem Ohr, einen trotzigen kleinen Diskant zu der Saga, die Brudegans Schüler übten.
Meister Robinton hatte ihr das Morgenlied nicht verübelt, dachte Menolly. Aber sie würde sich bei Brudegan entschuldigen, sobald sie die Gelegenheit dazu fand. Sie hatte einfach nicht daran gedacht, dass sie seine Schüler ablenken könnte. Die Freude, dass ihre Schützlinge satt und zufrieden vor sich hin sangen, war zu groß gewesen.
Zweite Tür rechts von der ihren. Menolly klopfte. Nichts rührte sich. Erst als sie mit der Faust gegen das Holz schlug, bekam sie Antwort.
»Nur herein! Pass auf, Silvina... ach, du bist es, Menolly! Das
ist ja großartig«, rief der Harfner, als er die Tür öffnete. »Einen schönen guten Morgen, Prinzesschen«, fügte er lachend hinzu, und die kleine Königin zirpte eine Antwort. Robinton nahm Menolly das Tablett ab. »Immer errät Silvina meine Gedanken. Könntest du bitte einen Blick auf das Ei werfen? Es ist im Nebenzimmer, dicht beim Herd. Ich finde, dass es sich schon viel härter anfühlt...« Das klang ängstlich.
Menolly betrat gehorsam den Nebenraum, und er folgte ihr, nachdem er das Tablett auf dem Sandtisch neben dem Fenster abgestellt und sich einen Becher Klah eingeschenkt hatte. Am Kamin brannte ein freundliches kleines Feuer; das Tongefäß mit dem Echsenei hatte einen Platz auf dem Sims gefunden.
Menolly öffnete es und buddelte mit den Fingerspitzen vorsichtig den warmen Sand beiseite, der das kostbare Ei bedeckte. Es war härter, aber höchstens um eine Spur; schließlich hatte sie es dem Harfner erst am Vorabend überreicht.
»Alles in Ordnung, Meister Robinton. Und das Gefäß hat genau die richtige Wärme«, versicherte sie ihm. Sie schob den Sand wieder über das Ei und legte den Deckel auf. »Als wir das Gelege vor zwei Tagen zum Benden-Weyr brachten, meinte die Weyrherrin, dass die Jungen etwa in einer Siebenspanne schlüpfen würden.Wir haben also noch fünfTage Zeit.«
Der Harfner seufzte erleichtert. »Hast du gut
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