Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis
Blick auf ihre gepunktete Unterhose bot. Tolle Idee, ausgerechnet die anzuziehen. Wieder lachte die Menge auf und versetzte ihrem Stolz den letzten Schlag.
» Einen kräftigen Applaus für unsere tapfere Sofia, die ihr großes Abenteuer heil überstanden hat!«
Das ließen sich die Leute nicht zweimal sagen.
» Ich will hier weg …«, flehte Sofia den Professor an.
» Ja, wir sollten jetzt wohl besser hineingehen«, pflichtete dieser ihr bei.
Schweigend betraten sie das Zelt und ebenso schweigend nahmen sie Platz.
» Es ist ja nichts Schlimmes passiert. Eigentlich war es doch ganz lustig«, meinte der Professor nach einer Weile.
Sofia blickte nicht auf.
» Das wirst du dir doch wohl nicht zu Herzen nehmen. Lidja hat doch nur ein wenig Spaß gemacht.«
» Ich hab wie ein Idiot dagestanden …«
» Nein, denk das nicht.« Der Professor bedachte sie mit einem offenen, freundlichen Lächeln, das Sofia allerdings auch nicht aufmuntern konnte.
Sie fühlte sich gedemütigt und daran war auch er schuld. Gewiss, mit ihrer verfluchten Ungeschicklichkeit hatte sie das Ihre dazu beigetragen. Aber er hätte die Situation besser einschätzen und ihr diese Peinlichkeit ersparen können.
Die Scheinwerfer erloschen und unter Trompetengeschmetter betrat der Zirkusdirektor die Manege.
» Tut mir leid, verzeih mir«, flüsterte ihr der Professor ins Ohr, und einen Moment lang konnte sie den Vorfall vergessen.
Es war ein kleiner Zirkus ohne besondere Attraktionen. Dennoch hatte Sofia ihren Spaß. Vor allem die Clowns waren fantastisch. Ein bestimmter Gesichtsausdruck genügte, um die Leute zum Lachen zu bringen. Und auch der einzige Elefant, eben jener, mit dem sie auf so unglückliche Weise schon Bekanntschaft gemacht hatte, schien wie für die Manege geboren. Von Traurigkeit keine Spur mehr, stattdessen führte er brav und eifrig seine Kunststücke vor. Anschließend zersägte der Zauberer eine ältere Dame und der Jongleur verblüffte die Zuschauer mit seiner Schwertnummer.
Dann richtete sich der Scheinwerfer in die Höhe und Sofia hob den Blick. Oben auf dem Trapez, zehn Meter über dem Manegenboden, stand Lidja, immer noch in ihrem grellbunten Kostüm und dazu in einem grünen Tüllröckchen, mit dem sie wie eine Balletttänzerin aussah. In den Händen hielt sie eine Art langes weißes Tuch. Bereits bei dem Anblick brach Sofia der kalte Schweiß aus. Sie stellte sich vor, dort oben zu stehen und in die Tiefe unter sich zu blicken. Ihr schwindelte und unwillkürlich drückte sie kräftig die Hand des Professors.
Ein Trommelwirbel kündigte die Nummer an. Sanft stieß sich Lidja vom Trapez ab – und flog. Unbeschreiblich elegant wirbelte ihr zierlicher Körper durch die Luft, nur gehalten von der Kraft ihrer Hände, die dieses weiße Tuch umklammerten. Die Schwerkraft schien für sie aufgehoben und so schwebte sie wie ein Vogel durch die Lüfte und schien ganz in ihrem Element zu sein.
Hingerissen sah Sofia ihr zu: Dieses Mädchen war nicht älter als sie selbst, im Gegensatz zu ihr aber zu unglaublichen Dingen fähig.
Schließlich wickelte sie sich, weiter schwebend, in den Stoff ein und erreichte so fast das Zeltdach. Dann ließ sie los. Ein erschrockenes Raunen ging durch die Zuschauer, die mit ansahen, wie das Mädchen mit dem sich abwickelnden Tuch um die Taille in die Tiefe stürzte. Nur Zentimeter vom Boden entfernt, kurz bevor sie aufschlagen konnte, ergriff ihre Hand wieder den Stoff, packte ihn fest, und so landete sie sanft, leicht wie eine Feder, auf der Spitze ihres rechten Fußes. Das Publikum applaudierte frenetisch und Lidja antwortete ihm mit einer tiefen Verneigung.
Auch der Professor klatschte begeistert und war kaum noch zu bremsen.
» Fantastisch, nicht wahr?«
Sofia nickte stumm.
Nach der Vorstellung suchten sie die junge Akrobatin hinter dem Zelt auf, um ihr zu der Nummer zu gratulieren. Eigentlich hatte Sofia überhaupt keine Lust dazu: Nachdem sie Lidja nun so mühelos durch die Luft hatte wirbeln sehen, schämte sie sich noch mehr für ihren peinlichen Auftritt zuvor. Doch der Professor war nicht umzustimmen.
» Das war ja großartig!«, rief er, sobald er Lidja sah.
Die Augen des Mädchens strahlten. » Vielen Dank. Aber das war doch nichts Besonderes. Eigentlich kann ich das besser«, wehrte sie mit falscher Bescheidenheit ab. Dann bedachte sie Sofia mit einem überheblichen Blick.
» Aber es stimmt doch. Du warst fantastisch«, schloss diese sich dem Kompliment des Professors an.
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