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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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unabhängig von den Umständen, der Einzige, der auf alles eine Antwort wusste und dem für jedes Problem eine Lösung einfiel. Offenbar hatte sie ihn überschätzt. Er war doch nur ein Mensch wie du und ich, ein Mensch, der Fehler beging, ein Mensch, der litt.
    Sofia gab sich ihrem Schmerz hin. Abends weinte sie sich in den Schlaf, und wenn sie sich den heilenden Strahlen der Knospe aussetzte, wanderte ihr Blick verzweifelt durch den Raum. Hier war sie oft mit Lidja zusammen gewesen. Und wenn sie die Augen schloss, sah sie wieder jede einzelne Bewegung ihrer Trainingskämpfe vor sich. Erbarmungslos zeigte ihr das Gedächtnis alles, was sie und Lidja gemeinsam getan und erlebt hatten. So auch das Gespräch kurz nach ihrer ersten Mission, bei der sie den Anhänger gefunden hatten, als sie sich zusammengerauft hatten. Wie echte Freundinnen hatten sie sich gefühlt und Lidja hatte ihre Hand gedrückt. Wenn sie es sich genauer überlegte, hatte damit alles begonnen. Dieser Tag war der Anfang vom Ende gewesen.
    Eines Abends verließ Sofia ihr Zimmer, um wieder unten am Tisch zu Abend zu essen. Thomas hatte sie dazu gedrängt: » Es ist doch nicht gut, immer allein zu sein. Und außerdem kommen Sie nicht zu Kräften, wenn Sie zu viel im Bett liegen. Kommen Sie runter zum Essen. Dann geht es Ihnen besser.«
    Als sie durch die Esszimmertür trat, erkannte sie sofort, dass der Professor mit dieser Einladung nichts zu tun hatte. Verwundert hob er den Kopf, als er sie bemerkte, und sah dann seinen Diener fragend an. Der ließ sich nichts anmerken.
    Sofia zögerte, doch Thomas rückte ihr einen Stuhl zurecht und bedeutete ihr, Platz zu nehmen. Rasch trug er alle Gänge auf einmal auf und verließ dann den Raum und ließ sich nicht mehr blicken. Sofia und der Professor saßen einander gegenüber am Tisch.
    Sie wandte ihre Aufmerksamkeit den Tellern und Schüsseln zu. Es gab Würstchen und Bratkartoffeln, dazu ein wenig Salat und einen Pudding zum Nachtisch. Alles sah appetitlich aus, dennoch drehte es ihr den Magen um. Wie sollte sie in Ruhe essen, ohne Lidja, die irgendwo einem schrecklichen Schicksal zum Opfer gefallen war?
    » Komm, greif zu. Du willst doch bald wieder auf die Beine kommen, oder?«
    Sofia zuckte zusammen. In den vergangen Tagen hatte sie so selten seine Stimme gehört, dass sie ihr fast fremd vorkam. Sie gehorchte, griff mechanisch zu Messer und Gabel und begann, das Würstchen zu zerteilen. So saßen sie zusammen, stumm, nur ihre Bestecke klapperten traurig auf den Tellern. Eine solche Stille hatte am Esstisch noch nie geherrscht. Oder zumindest keine Stille, die so aufgeladen war mit Dingen, die niemand wagte auszusprechen.
    Als ihr die ersten Tränen auf den Teller kullerten, legte der Professor die Gabel zur Seite und blickte sie an. Aber der Abstand zwischen ihnen wollte sich nicht verringern. Sie zog die Nase hoch, während die Tränen auf das glatte Porzellan perlten. Da hörte sie, wie ein Stuhl auf dem roten Teppichboden gerückt wurde und gedämpfte Schritte auf sie zukamen. Der Professor beugte sich zu ihr herab und nahm sie in den Arm, und sofort spürte Sofia, wie sehr ihr das gefehlt hatte. Sie vergrub den Kopf an seiner Schulter und weinte leise, wie eine Erwachsene. Und wie für eine Erwachsene war auch der Trost, den er für sie hatte.
    » Sie ist nicht tot. Andernfalls hätten sie dafür gesorgt, dass wir sie finden … Nein, sie lebt, irgendwo, vielleicht in der Hand der Feinde, aber tot ist sie nicht.«
    Der Professor löste sich von ihr und sah ihr in die Augen. In seinem Blick lag wieder Entschlossenheit. Als er sich dann, wie es seine Art war, die Brille auf der Nase zurechtrückte, fühlte sich Sofia umso mehr getröstet. Diese vertraute Geste hatte sie so lange nicht mehr von ihm gesehen.
    » Sie lebt. Verstehst du? Sie lebt.«
    Sofia zog noch einmal die Nase hoch. » Es tut mir so leid«, murmelte sie. » Es ist mal wieder meine Schuld. Aber ich hatte mich so schlecht gefühlt, weil ich unten im See so feige war. Und es war mir wichtig, das wieder auszubügeln. Deshalb kam ich auf die Idee, es auf eigene Faust zu probieren. Ich wollte wirklich nicht, dass jemand mitkommt. Sonst hätte ich mich ja auch nicht nachts aus dem Haus geschlichen.«
    » Ja, ich weiß«, sagte er nur, wobei er ihr weiter in die Augen blickte. Seine Stimme klang heiser.
    Sofia schluckte. Jetzt musste sie einfach alles erzählen, sich Luft machen.
    » Aber Lidja hat mich bemerkt, als ich aus dem Haus bin, und

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