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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis
Autoren: Licia Troisi
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nicht, dass du versagt hast.«
    Er lächelte sie an und Sofias Anspannung löste sich. Eigentlich hatte sie seine Vergebung, sein Verständnis, nicht verdient. Jedenfalls hatte sie nicht darauf zu hoffen gewagt. Weinend vergrub sie das Gesicht an seiner Brust und spürte, wie ihr Herz immer leichter wurde.
    Genau in diesem Moment riss Thomas die Tür auf.

20
    Der Unterjochte

    » Herr Professor!«
    Professor Schlafen löste sich aus Sofias Armen und drehte sich zur Tür. Ohne anzuklopfen, war Thomas eingetreten und stand jetzt steif und schwer atmend auf der Schwelle, offensichtlich verlegen wegen dieses unhöflichen Eindringens. » Ich habe etwas gefunden, was Sie sich unbedingt anschauen müssen, unten am Ufer«, erklärte er jetzt mit besorgter Stimme.
    » Du bleibst hier«, wandte sich der Professor mit ernster Miene an Sofia.
    Sie schüttelte den Kopf. » Nein, nein, bitte nicht. Ich will mitkommen.«
    Der Professor nickte geschlagen, denn es wäre ihm nicht gelungen, sie allein zurückzulassen. Wortlos strebte er zur Haustür und nahm für sie beide die Wintermäntel von der Garderobe.
    Hinter dem Rücken ihres Vormunds verborgen, betrachtete Sofia aus sicherer Entfernung den Jungen, der zusammengekauert am Seeufer lag und keuchte. Sie schauderte und schlug den Mantelkragen hoch. Ihn wiederzusehen, war entsetzlich, auch wenn irgendetwas dabei ihr Mitleid erregte. Er sah so zerschunden aus, dass man ihn für ein verendendes Tier hätte halten können. Der Professor gab ihr ein Zeichen, sich nicht zu rühren, und ging vorsichtig ein paar Schritte auf den Jungen zu.
    » Was willst du hier?«, fragte er laut und blieb in einiger Entfernung von ihm stehen.
    Mühsam richtete sich der Junge ein wenig auf und Sofia versetzte es einen Stich ins Herz. Seine so furchterregenden, doch auf ihre Art auch wieder prächtigen Flügel waren fast völlig zerfetzt. Die feine Membran zwischen den Streben war eingerissen und seine metallene Rüstung war verbeult und glänzte nicht mehr. Die Haut, die darunter zum Vorschein kam, war fahl und voller Blutergüsse, und überall dort wo sich die Häkchen der Implantate eingegraben hatten, traten winzige Blutstropfen hervor, die im Mondlicht schimmerten. Die Adern im Gesicht traten pochend hervor, die Lippen waren aufgesprungen und er röchelte nur noch. Selbst das Rot seiner Augen wirkte erloschen. Er war am Ende. Offenbar hatten seine Herren beschlossen, ihn nun, da er ausgedient hatte, seinem Schicksal zu überlassen.
    Fast unwillkürlich bewegte sich Sofia auf ihn zu, um ihm zu helfen.
    » Nein! Das könnte eine Falle sein!«, rief der Professor, wobei er sie am Arm zurückhielt.
    Sie erwiderte nichts, wandte ihm nur den Blick zu. Selbst wenn es eine Falle war, kam sie nicht dagegen an. Professor Schlafen verstand, was sie bewegte, lockerte langsam seinen Griff und ließ sie schließlich los.
    Bedächtig, Schritt für Schritt, näherte sich Sofia dem Wasser, den Blick auf den Jungen geheftet, der sich jetzt hochzustemmen versuchte. Wieder und wieder versuchte er es, aber seine Arme schienen zu schwach, um sein Körpergewicht zu halten, und immer wieder versank sein Gesicht mit einem Stöhnen im Schlamm. Nur einen Moment zögerte sie noch und streckte dann die Arme aus, um ihm aufzuhelfen. Es schauderte sie, als sie zum ersten Mal seine Haut berührte – bislang war immer eine Metallschicht zwischen ihnen gewesen –, und sie war überrascht, wie eiskalt sie sich anfühlte. Wie eine Leiche, dachte sie.
    » Komm, wir helfen dir.«
    Sie hatte den Satz noch nicht beendet, da spürte sie den eisernen Griff einer Hand, die sie zu Boden zog. Der Junge hatte sie gepackt und starrte sie jetzt aus roten Glutaugen an, ohne dass sie sich hätte wehren können. Er hatte sie gestellt, so wie ein Jäger seine Beute. Seine Gesichtszüge waren kaum wiederzuerkennen und ein gemeines Grinsen verzerrte sie zu einer hasserfüllten Grimasse. Panik ergriff Sofia. Das war nicht der Junge. Irgendetwas oder irgendjemand war in seinen Körper gefahren und hatte sie überrumpelt.
    » Sofia!«
    Aus der Ferne, wie aus einer anderen Welt, drangen die Stimmen des Professors und seines Dieners zu ihr. Das Letzte, was sie hörte waren ihre hektischen Schritte im raschelnden Laub.
    » So sieht man sich wieder, Thuban …«
    Unmenschlich, rau und dunkel klang die Stimme des Jungen. Um sie herum war nichts als Leere und grenzenlose Finsternis. Da erkannte sie ihn und ein Schauder durchfuhr sie. Keine Ewigkeit wäre
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