Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis
beiden wechselten ein paar Worte, die sie nicht verstehen konnte. Auf Deutsch, und sie hatte den Eindruck, dass die beiden sich etwas zu sagen hatten, was sie nicht wissen sollte. Sie hörte noch genauer hin, vernahm aber nur, wie jetzt die Schritte einer einzelnen Person näher kamen.
» Er ist allein! Er hat sie nicht mitgebracht! « Ihr Herz begann, wild zu rasen, und sie konnte sich einfach nicht zurückhalten, wälzte sich aus dem Bett, um sich zur Tür zu schleppen, die sich jedoch öffnete, bevor sie sie erreicht hatte. Auf der Schwelle stand der Professor, das Gesicht abgespannt, die Kleider zerknittert, sehr ungewöhnlich für ihn, der normalerweise so elegant auftrat.
» Herrje Sofia! Warum liegst du denn nicht im Bett?«, wies er sie zurecht. Seine Stimme klang müde, aber auch bitter, was Sofia wie ein Faustschlag traf. Aber sie ging darüber hinweg. Jetzt war es sehr viel wichtiger zu erfahren, wo Lidja war.
» Was ist mit Lidja?«
Der Professor antwortete nicht, trat nur auf sie zu und legte sanft seinen Arm um sie. Eine liebevolle Geste, von der sich Sofia sofort ein wenig getröstet fühlte. Doch er antwortete immer noch nicht, sondern führte sie zum Bett, half ihr beim Hinlegen und setzte sich dann zu ihr.
» Professor, bitte, sag schon: Wo ist Lidja?«
» Ich habe sie überall gesucht, ich war dort, wo ihr gekämpft habt. Auch den ganzen Weg, die Straßen habe ich abgesucht … Aber sie ist fort.«
Sofias Finger krallten sich in die Bettdecke. Ein entsetzlicher Gedanke überkam sie, schoss ihr durch den Kopf, ein Gedanke, den sie nicht denken wollte. Aber sie schaffte es nicht. Er war einfach da, quälend und unerträglich.
» Was könnte ihr denn zugestoßen sein …?«, wagte sie kaum zu fragen.
» Ich weiß es nicht«, antwortete er nur. Sein Blick wirkte leer, ausdruckslos. So hatte Sofia ihn noch nie gesehen und der Anblick war niederschmetternd. » Aber du darfst nicht aufstehen«, wechselte er das Thema. » Auf keinen Fall. Hörst du, Sofia? Du bist krank und sehr geschwächt. Das merkst du ja selbst. Du brauchst Ruhe. Und diesmal wirklich.«
» Aber Lidja …«
» Ja, natürlich … Ich werde sie so lange suchen, bis ich sie gefunden habe. Was glaubst du denn? Meinst du etwa, ich überlasse sie einfach ihrem Schicksal?«
Unwillkürlich krümmte Sofia sich zusammen. Das gesamte Verhalten des Professors, seine ungewöhnlich niedergeschlagene Art bewirkte, dass sie sich furchtbar schlecht fühlte.
» Nein, das meine ich nicht. Aber das ist alles wieder meine Schuld«, flüsterte sie.
Der Professor lächelte traurig. » Nein, das stimmt nicht. Und das weißt du auch. Oder besser, es ist nicht nur deine Schuld. Ihr seid beide dafür verantwortlich, weil ihr euch gemeinsam in dieses Abenteuer gestürzt habt, aber ich bin auch schuld, weil ich es nicht geschafft habe, euch zu beschützen.«
Die Worte des Professors trafen sie mitten ins Herz. Da wäre es ihr noch lieber gewesen, wenn er sie wutentbrannt ausgeschimpft hätte, wie es im Waisenhaus üblich gewesen war, wenn jemand etwas angestellt hatte, anstatt so offen und kühl seine Enttäuschung und seine Ratlosigkeit zu zeigen. Das war nicht auszuhalten.
Sie brachte kein Wort mehr heraus, konnte nur zusehen, wie er, von Sorge und Kummer gebeugt, ihr Zimmer verließ. Hinter ihm schloss sich die Tür mit einem traurigen Quietschen.
Einige Tage darauf begann Sofia, sich stundenlang von der Knospe bestrahlen zu lassen, um so schnell wie möglich gesund zu werden. Thomas umsorgte sie und kümmerte sich entschlossen darum, dass sie aufaß, was er ihr servierte. Das tat sie, obwohl es ihr schwerfiel, denn ihr Magen fühlte sich wie zugeschnürt an.
Der Professor war kaum zu Hause. Morgens früh machte er sich auf den Weg und kam erst tief in der Nacht wieder heim. Sofia erkannte ihn kaum wieder: die Kleider in Unordnung, der Bart unrasiert, das Haar zerzaust. Sie konnte zusehen, wie er abmagerte und sich in seiner erfolglosen Suche aufrieb. In ihr Zimmer kam er selten, nur hin und wieder erkundigte er sich über Thomas nach ihrem Befinden.
In mancher Hinsicht war sie ganz froh, dass sie sich nur selten begegneten. Es tat ihr weh, ihn so zu sehen, in diesem erbärmlichen Zustand, an dem sie selbst auch noch schuld war. Zudem ertrug sie seine kühle Zurückhaltung nur schwer, dieses Bild des Jammers, das er abgab. Bislang war der Professor immer so etwas wie ein Anker für sie gewesen, ein Mensch, an den sie sich halten konnte, ganz
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