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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis
Autoren: Licia Troisi
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wollte unbedingt mitkommen. Irgendwie habe ich gefühlt, dass wir einen großen Fehler machen, dass die Sache schlimm ausgehen könnte, aber einen Rückzieher machen, wollte ich auch nicht. Lidja war auch dafür, es zu probieren, und dann sind wir eben los.«
    Sie brach ab und schlug verschämt die Augen nieder. Sie fühlte sich so schuldig, dass sie nicht weitererzählen konnte.
    Der Professor streichelte ihr über das Haar und blickte sie dabei so liebevoll an, wie sie es von ihm gewohnt war. Und sofort fühlte sie sich ein wenig besser.
    » Sei mir bitte nicht mehr böse«, setzte sie schließlich hinzu.
    Sein Blick wurde ernster. » Ich bin dir doch überhaupt nicht böse, oder zumindest nicht so, wie du denkst«, erklärte er erschöpft. » Natürlich hättet ihr euch nicht über mein Verbot hinwegsetzen dürfen. Doch wie gesagt, bist du, oder seid ihr an dem Unglück nicht alleine schuld. Selbst wenn das so wäre: Das, was du gerade durchmachst, ist schon Strafe genug, oder sogar schon zu viel. Nein, Sofia, ich bin nicht wütend, weil du mir nicht gehorcht hast oder weil ich denke, dass du verantwortlich bist für das, was geschehen ist. Nein, es ist mehr so, dass es mir wehtut.«
    Seine Worte klangen so ehrlich betrübt, dass es Sofia schmerzte, als ob sie eine Ohrfeige bekommen hätte.
    » Es tut mir weh, dass du mir nicht vertraut hast, dass du glauben konntest, ich würde dir etwas verbieten, nur um dir Steine in den Weg zu legen, und nicht weil es zu deinem Besten ist. Ich habe das Gefühl, in jeder Beziehung versagt zu haben. Ich habe es nicht geschafft, dich und Lidja zu beschützen, und dir habe ich nicht klarmachen können, wie viel du mir bedeutest. Denn ich wollte mehr sein als nur ein Hüter. Ich wollte der Mensch sein, der sich um deine Erziehung kümmert und versucht, dir deine Eltern zu ersetzen. Aber offensichtlich habe ich es noch nicht einmal geschafft, dir die einfachste Lektion beizubringen: zu unterscheiden, was richtig und was falsch ist, was man tun kann und was nicht.«
    Jetzt betrachtete er sie wieder mit diesem leeren Blick wie in den zurückliegenden Tagen des Schweigens, und Sofia erkannte plötzlich sehr genau, was in ihm vorging und wie tief sie ihn verletzt hatte. Könnte sie doch alles rückgängig machen, diese albtraumhafte Nacht auslöschen, einfach ungeschehen machen, und mit ihr all die traurigen Tage, die ihr gefolgt waren. Aber das war unmöglich. Und vielleicht war dies die wichtigste Lehre, die sie aus dieser entsetzlichen Geschichte zu lernen hatte: Alles, was man tat, und mochte es noch so unbedeutend erscheinen, hatte Folgen. Jede Entscheidung hatte ihren Preis und der konnte verdammt hoch sein.
    Sie musste sich besinnen, damit in dem Tränenfluss nicht das unterging, was sie ihm unbedingt sagen musste: » Das hat gar nichts mit fehlendem Vertrauen zu tun. Du bist vielleicht der einzige Mensch auf der Welt, dem ich überhaupt vertraue. Es ist nur so …« Warum war das so schwierig, so furchtbar schwierig und schmerzhaft, das in Worte zu fassen? » Es ist nur so, dass ich mir selbst nicht traue. Das heißt, mir selbst nichts zutraue. Tief in mir drin glaube ich nicht an mich, an meine Stärken, und damit auch nicht an die von Thuban. Das ist der Grund, deshalb hab ich es allein versuchen wollen und war so leichtsinnig.«
    Der Professor schwieg eine Weile, doch sein Blick verriet, dass er ganz bei der Sache war. » Das verstehe ich«, sagte er dann. » Allerdings habe ich mir den Ort angeschaut, wo ihr angegriffen wurdet, und die Spuren des Kampfes untersucht. Es war nicht schwer zu erkennen, dass du Thubans Kräfte genutzt hast, nicht wahr? Sofia, du kannst stolz auf dich sein. Wie eine Löwin hast du gekämpft und die Frucht erobert. Vergiss das nicht!«
    » Ja, schon, aber was hat es gebracht?«, erwiderte Sofia. » Klar, ich habe Thubans Kräfte genutzt und mich gegen den schrecklichen Jungen gewehrt. Aber wozu? Lidja ist weg und ich habe sie in den Händen der Feinde zurückgelassen. Ich habe versagt, so wie immer.«
    Sie wischte sich über die Augen und versuchte, ihre Tränen zu trocknen, aber es gelang ihr nicht, sie flossen immer weiter, und ihre Wangen waren mittlerweile vollkommen nass.
    » Im Leben läuft nichts genau so, wie wir uns das vorstellen, Sofia. Für alles, was wir erreichen, geht uns auch etwas verloren. Trotzdem ist auch der Schmerz zu etwas gut: Er macht uns reifer und lehrt uns, wie wir es das nächste Mal besser machen können. Es stimmt
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