Drachensturm
wenn du mich bislang belogen hast, wer sagt mir dann, dass du jetzt die Wahrheit sprichst?«
Kemaq kam nicht dazu, sich zu rechtfertigen, denn einer der Krieger stieß einen lauten Warnruf aus. Er war noch nicht verklungen, als es laut krachte. Stein splitterte, und Männer stöhnten, und dann rollte der Donner der großen Waffe wieder durch das Tal. » Die fliegenden Götter, Herr«, rief einer der Krieger, » sie greifen an!« Draußen vor der Mauer krachten Schüsse.
Tunkapu fluchte, warf Kemaq einen finsteren Blick zu und herrschte seine Bewacher an: » Habt ihr vergessen, was ich befohlen habe? Los, bringt ihn fort!« Dann nahm er seinen Streitkolben zur Hand, drehte sich um und kletterte auf die Mauer.
Die Männer hatten auf seinen Befehl hin nur ängstlich genickt, jetzt nahmen sie Kemaq zwischen sich und machten sich eilig auf den Weg. Plötzlich verdunkelte ein Schatten die Sonne. Die Yayakuna griffen an! Kemaqs Bewacher blieben erschrocken stehen. Er selbst erbleichte, denn es sah aus, als würde jener rotbraune Drachen genau auf ihn zuhalten. Die Bewacher umklammerten zitternd ihre Speere. Pfeile stiegen auf, und Steine prasselten gegen den schuppigen Leib. Mit lautem Brüllen fuhr der Gott seine mächtigen Klauen aus. Die drei unglücklichen Krieger, die Kemaq bewachen sollten, wichen zurück. Doch nicht sie waren das Ziel des fliegenden Gottes, sondern die Mauer, die unter der harten Landung des riesigen Wesens knirschte und stöhnte.
Kemaq wandte sich ab und floh. Ein zweiter Gott tauchte auf und warf sich auf die Mauer. Das war der Graugrüne – er spie Flammen, und Kemaq gellten die entsetzten Schreie der Krieger im Ohr, während er davonstolperte. Menschen fielen und sprangen von der Mauer. Sie flohen, so wie er. Die Flucht hatte ein jähes Ende, denn dicht vor ihnen landete ein dritter Yaya auf der Straße, nahe am Tor. Die Verteidiger, die dort gewartet hatten, wurden niedergewalzt oder stoben entsetzt davon. Kemaq erkannte den schlanken weißen Gott. Er saß in der Falle. Doch da – da war ein schmaler Spalt zwischen den Steinhäusern! Kemaq rannte hinein. Es war eine Gasse, ein Weg an dem Yaya vorbei. Wie ein Blitz durchzuckte Kemaq die Erkenntnis, dass der Weg aus der Stadt hinaus jetzt frei war. Die Drachen waren über der Stadt – es mochten noch Menschen vor dem Tor sein, aber denen konnte er davonlaufen. Er war ein Chaski, der schnellste von Tikalaq.
Mila hörte den Donner der Kanone und das Brüllen der Drachen. Sie war wenig begeistert von der Aufgabe, die ihr zugewiesen worden war. Sie sollte die Straße nach Süden bewachen und dafür sorgen, dass die Männer, die dort in Stellung gegangen waren, nicht von fliehenden Indios überrannt wurden. Sie hatten die Stadt westlich umflogen, weil Nabu ein Auge auf den Wald werfen sollte, in dem vielleicht noch feindliche Krieger stecken mochten. Er hatte aber keine entdecken können, war gelandet und hatte Sir William den Angriffsbefehl überbracht.
» Wurde aber auch Zeit«, hatte der Ritter geantwortet, und Mila hatte auch Schamaschs zufriedenes Brummen gehört, als sie aufgebrochen waren.
» Ich bin froh, dass Ihr hier seid, Condesa«, sagte der Leutnant, der Befehlshaber der Spanier, die es auf diese Seite der Mauer verschlagen hatte.
» Wie viele Männer habt Ihr zur Verfügung?«, fragte Mila zurück.
» Zehn – und dreißig Indios, Condesa.«
» Nicht gerade viel«, meinte Mila kritisch.
» Das ist richtig. Wir haben auch nur zwei Büchsen und drei Armbrüste, doch haben wir eine sichere Stellung, dort drüben, hinter einer Steinmauer. Und da auch ein Drache an unserer Seite ist, mache ich mir keine Sorgen«, erwiderte der Leutnant, seiner Stimme nach ein noch recht junger Mann.
Mila dankte ihm für die Auskunft, und der Mann salutierte – jedenfalls nahm sie das dem Rasseln der Rüstung nach an – und kehrte zu seinen Männern zurück. Aus der Stadt tönte Kampfeslärm herüber. Mila hörte es mit gemischten Gefühlen und seufzte.
» Wärst du lieber dort drüben?«, fragte Nabu.
» Nein, eigentlich nicht, und dennoch …«
» Du fühlst dich ausgeschlossen?«, fragte der Drache.
» Ja, ich glaube, das ist es«, gab Mila zu.
» Du musst dich irgendwann entscheiden«, meinte Nabu ruhig. » Entweder, du ziehst mit den anderen in die Schlacht, oder du versuchst, weiteres Blutvergießen zu verhindern.«
» Ich habe es doch versucht, Nabu, ich habe mich doch für Verhandlungen eingesetzt.«
» Verzeih, wenn ich es offen
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