Drachentau
wieder zum Sternenhimmel. Die Sterne strahlten abwechselnd besonders hell, als wollte jeder einzelne Rosa begrüßen. Ihr uraltes Lied erklang und Rosa summte mit. Es war ein Lied aus einer anderen Welt. Sie fühlte das Glück in ihrem Herzen, ein Stern in einem besonderen Sternenbild zu sein und der Wind streichelte sanft ihr Fell. Sie legte ihren Kopf nieder und war beinahe eingeschlafen, als sie wieder in der Drachenhöhle landeten.
Etwas benommen kletterte sie von Tumaros Rücken herunter und schmiegte sich an seinen harten, kantigen Panzer. »Es ist so schön bei dir, Tumaros.«
Und Tumaros, der noch nie mit einem anderen Wesen zusammengelebt hatte, fand es auch schön, dass Rosa bei ihm war. Aber er hatte ein bisschen zu wenig geschlafen. Das machte ihn ungehalten, nur für heute schluckte er es runter. Die Freude über seinen Schatz war stärker. Zum Schlafen kuschelte sich Rosa wieder an seine Nüstern und Tumaros streckte seinen Flügel aus und deckte sie damit zu. Rosa seufzte tief, einen schöneren Platz zum Schlafen hätte sie sich heute Nacht nicht vorstellen können.
Abermals wurde sie von der Mittagssonne geweckt und abermals taten ihr die Knochen weh vom harten Felsen. Sie wusste jetzt schon, dass Tumaros gleichzeitig schlief und wach war. Also sprach sie ihn einfach an, wenn sie etwas brauchte und er antwortete kurz.
»Ich gehe mir ein paar Pilze zum Frühstück suchen«, sagte sie, schnappte den neu geflochtenen Korb und ging zum Höhlenausgang, als ihr wieder der Weg von Tumaros versperrt wurde, diesmal ohne Beule.
»Warte, ich lege mich in den Höhleneingang.«
Keine Sekunde ließ er sie aus den Augen. Rosa entschied, sich einfach beschützt zu fühlen.
»Zündest du bitte das Feuer an?« Sie lehnte sich wieder an die Felswand, briet ihre Pilze über dem Feuer und betrachtete Tumaros. Sie hatte viel Zeit zum Nachdenken, wenn er schlief. Aber an Jakob zu denken, fiel ihr schwer, als wäre eine Mauer zwischen ihm und ihr. Die Felsenhöhle war schön, der Schatz gewaltig, auch wenn klar war, dass sie niemals etwas davon nehmen durfte. Tumaros‘ prachtvoller Anblick versetzte sie stets in Verzückung. Die leise Stimme in ihrer Brust, die sagte, sie sei eine Gefangene, einsam und arm, hörte sie nicht. Auf Tumaros‘ Rücken hatte sie Dinge gesehen, die noch nie ein Bär sah. Und wer wusste schon, dass die Sterne sangen? Ihre Liebe zu Tumaros war etwas Besonderes. Er liebte sie auch. So sehr, dass er sie nie aus den Augen ließ.
Sie machte sich auf, das Moos zu suchen. Nächste Nacht brauchte sie ein weiches Bett. Noch einmal wollte sie nicht auf hartem Felsen schlafen. Moos gab es hier viel. Sie hatte rasch eine große Menge beisammen.
Eigentlich könnte ich mir ein Korbbett flechten, überlegte sie. Für so viele Weidezweige brauchte sie Messer zum Schneiden. Sie ging zum Schatz und suchte sich eins. Viele Messer lagen hier herum, eins schöner als das andere. Manche hatten mit Diamanten besetzte Griffe. Sie suchte ein Kleines aus mit Elfenbeingriff und kunstvoll geschnitzten Figuren. Die Klinge schimmerte bläulich und war an der Schnittkante hauchdünn geschmiedet. Es musste sehr scharf sein und es war auch sehr scharf. Ruckzuck hatte sie eine große Menge lange Weidenzweige geschnitten. Die Sonne neigte sich zum Westen. Morgen würde sie mit dem Flechten beginnen.
Tumaros erwachte.
»Isst du eigentlich nie etwas?«, fragte sie, denn seit sie hier war, hatte er keine Mahlzeit genommen.
»Doch, ich esse.«
»Und wann isst du?«
»Wenn ich Hunger habe.«
Sie gab das Fragen auf, er war nicht sehr gesprächig. »Wollen wir fliegen?« Sie streichelte ihm wieder sanft über den Panzer.
Er schnaubte zufrieden. »Gut, komm, lass uns fliegen. Ich zeige dir heute die Burg, aus der ich einen großen Teil meines Schatzes erbeutet habe.« Er sagte das, als wäre es selbstverständlich, anderen wegzunehmen, was man haben möchte.
»Erschrecken wir nicht die Bären dort, wenn wir drüberfliegen?«
»Leider nein, sie ist unbewohnt.«
Rosa wollte nicht darüber nachdenken, was diese Worte bedeuteten. Sie kletterte auf Tumaros‘ Rücken und er hob ab.
»Mach es dir gemütlich, Rosa, der Flug wird lang.«
Nein, Rosa machte es sich nicht gemütlich. Sie blieb aufrecht sitzen und wollte keinen Augenblick dieses herrlichen Fluges verpassen.
Nach einer guten Flugstunde kamen sie bei der Burg an. Sie war gewaltig, beinahe eine kleine Stadt. In jede Himmelsrichtung hatte sie einen Turm und war von
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