Drachentempel 01 - Sternenträume
als zwölf Kilometer.
»Fahr um sie herum«, sagte Ray.
Seufzend schaltete Ray die Nabenmotoren auf hohe Traktion um und lenkte den Jeep vom Standstreifen die Böschung hinauf. Sie hüpften in gefährlich schrägem Winkel über das Gras, und die Reifen hinterließen tiefe Spuren im Boden. Die wilde Fahrt endete drei Kilometer vor dem Flughafen, wo sich die Böschung in einen Einschnitt verwandelte. Das Gelände war selbst für den Jeep zu steil.
Josep bremste, und langsam glitten sie den Abhang hinunter, bis die Reifen die Randsteine des Standstreifens erreicht hatten. Nichts bewegte sich auf der zweispurigen Fahrbahn. Die Menschen waren aus ihren Fahrzeugen gestiegen und unterhielten sich mit erregten Stimmen. Denise glaubte ihren Augen nicht zu trauen, doch selbst die Schnellbahnen in der Mitte zwischen den Fahrbahnen standen. Durchdrehende Fahrer hatten versucht, auf die Schienen auszuweichen, indem sie die Leitplanke zwischen der Fahrbahn und den Schienen rammten. Eine Reihe ineinander geschobener Fahrzeuge blockierte den Strang; es sah aus, als wären sie in Zeitlupe kollidiert. Die Fahrer brüllten sich an. An mehreren Stellen gab es Prügeleien.
»Raus«, sagte Josep. »Kommt, wir sind nahe genug dran.«
Ein großes DB898 Passagierflugzeug donnerte über sie hinweg, während das Fahrwerk in den Rumpf eingezogen wurde. Brennstoffzellengetriebene Turbofans heulten auf, während es steil in den Himmel hinaufkletterte. Alle unten auf der Straße unterbrachen das, was sie gerade taten, und starrten ihm hinterher. Dann setzten sich die meisten zu Fuß in Bewegung, als hätte das Flugzeug irgendeine geheimnisvolle religiöse Botschaft verkündet.
Denise, Ray und Josep fielen in einen leichten Trab, was ihnen eifersüchtige Blicke von Familien und älteren Leuten einbrachte, die sich in düsterer Verzweiflung über die Betonpiste schleppten. Dank der genetischen Veränderungen ihrer Körper hatte weder das Gewicht der Taschen noch die intensive Nachmittagssonne Auswirkungen auf ihre Kondition, und so waren sie imstande, für die gesamten drei Kilometer ein gleichmäßiges Tempo einzuschlagen. Denise schwitzte lediglich ein wenig, als sie endlich vor der Ankunftshalle eintrafen.
Die Menge vor den verschiedenen Schaltern und Gateways war dichter als die Scharen von Fans, die sich am Endspieltag durch die Drehkreuze eines Stadions zwängten – und sehr viel unruhiger. Sie schoben und drängten nach vorn, während sie sich gegenseitig ignorierten oder jeden aggressiv anstarrten, der etwas einzuwenden hatte. Oben an den Wänden zeigten gigantische Bildschirme Interviews mit dem »Mann auf der Straße«, und beinahe jeder Reporter stellte die gleichen Fragen: Wo ist die orbitale Verteidigung, die diese Bastarde aus dem Himmel bläst? Es musste doch irgendein hochgeheimes Regierungsprojekt geben, das genau auf diesen Augenblick vorbereitet ist? Warum sind wir wehrlos?
Sie erreichten das Gate Nummer drei von Pan-Skyways fünf Minuten, bevor das Check-in endete. Dort, inmitten von fünfhundert lärmenden, drängenden Menschen gab Denise jedem der beiden Jungen eine Umarmung und einen Kuss. Wenn sie die ungewöhnliche Zurschaustellung von Zuneigung überraschte, gaben sie es nicht zu erkennen. Sie hatte sich im Verlauf des letzten Jahres oft über beide geärgert, doch jetzt wurde ihr bewusst, wie sehr sie sie mochte und wie sehr sie sich um das Gelingen ihrer Mission sorgte. »Passt auf euch auf«, murmelte sie. Es war kein Wunsch, es war ein Befehl.
Sie erwiderten ihre Umarmung und versprachen, dass sie aufpassen würden. Sie zeigten ihre gefälschten ID-Karten, und das Gate öffnete sich für sie.
Denise bahnte sich einen Weg durch das Gedränge nach draußen und hinaus auf das Observationsdach. Sie war die Einzige hier oben. Eine feuchte Brise vom Meer her zupfte an ihrem T-Shirt, als sie sich gegen das Geländer lehnte. Zwanzig Minuten später rollte der große Pan-Skyway-Jet hinaus auf die Startbahn und raste in den heißen Himmel. Denise blickte ihm hinterher, bis er am dunstigen Horizont verschwunden war, dann sah sie senkrecht nach oben. Sieben winzige, hell leuchtende Sterne zeigten sich am blauen Mittagshimmel. Sie hatte die Arme weit ausgebreitet und hielt mit beiden Händen das abgewetzte Metall des Geländers. Als sie tief einatmete, spürte sie den Sauerstoff durch ihre Adern fließen und ihre aufgerüsteten Zellen verstärken. Ihre physische Stärke brachte ein kühles Selbstvertrauen mit sich, einen
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