Drachentempel 01 - Sternenträume
Legislaturperiode, als er noch flammende Reden gegen den damaligen Bürgermeister gehalten hatte. Heute bildeten sie ein erfahrenes, gleichgesinntes Team, das die Stadt einigermaßen effizient regierte, und sie waren bestens vorbereitet, um mit der neuen Generation von jungen Heißspornen im Rat fertig zu werden, die ihn ununterbrochen kritisierten. Gottverdammt, er war stolz auf die Art und Weise, wie er die Entwicklung von Memu Bay in den vergangenen Jahren vorangetrieben hatte. Es war eine wohlhabende Siedlung mit hohem ökonomischem Standard, geringen Kriminalitätsraten … Scheiße! Soziale Probleme, Gewerkschaften, Bürokraten, Finanzen, Skandale – mit allem konnte er fertig werden. Doch diese neue Krise konnte einfach niemand politisch überleben.
Wenn er einen heldenhaften Standpunkt einnahm und sich Zantiu-Braun widersetzte, würde er die Situation nur verschlimmern, und der Gouverneur der Invasionsstreitmacht würde ihn auf jeden Fall aus dem Amt werfen. Auf diese Weise erreichte er gar nichts. Wenn er hingegen kooperierte und mit dem Gouverneur zusammenarbeitete, um sicherzustellen, dass die Bastarde auch wirklich alles stehlen konnten, was sie wollten, würde man ihn hinterher als Kollaborateur verdammen, als Verräter an seinen Wählern. Sie würden ihm niemals verzeihen.
Hoch oben über dem Meer materialisierte ein Schwarm schwarzer Punkte im wolkenlos blauen Himmel. Sie bewegten sich mit unglaublicher Geschwindigkeit, während sie sich dem Strand östlich der Stadt näherten. Myles ließ in ohnmächtiger Wut den Kopf hängen. Edgar Strauß persönlich hatte am Vortag angerufen und ihn zur Kooperation gedrängt. »Niemand von uns will ein Blutbad, Myles. Lassen Sie es nicht so weit kommen, ich beschwöre Sie! Lassen Sie nicht zu, dass sie uns auch noch unsere Würde nehmen.« Ein weiterer guter Politiker, der von den außer Kontrolle geratenen Ereignissen davongespült werden würde. Fast hätte Myles gefragt: »Warum um alles in der Welt haben Sie in den letzten Jahren keine orbitale Verteidigung installiert? Warum haben Sie zugelassen, dass wir nun so hilflos sind?« Doch das hätte bedeutet, einen Mann zu treten, der bereits am Boden lag. Die besten Raketen, die Thallspring bauen konnte, wären nichts weiter als eine erbärmliche Geste gewesen. Gott allein wusste, wie weit fortgeschritten die irdische Waffentechnologie dieser Tage war. Und die Raumschiffe von Zantiu-Braun hätten ganz sicher einen Vergeltungsschlag geführt und ein Exempel statuiert. Myles dachte mit einem Schauer an die letzte Invasion zurück. Jeder hatte außerdem die Bilder von dem neu verbrannten Landstrich am Stadtrand von Durrell gesehen, diese höchst unsubtile und äußerst effiziente Erinnerung daran, wozu Zantiu-Braun fähig war.
Myles wusste, was er zu tun hatte. Er wusste, dass er ein öffentliches Beispiel setzen und vorangehen musste. Es würde ihn ruinieren. Vielleicht würde er sogar aus Memu Bay weggehen müssen, nachdem Zantiu-Braun sich wieder zurückgezogen hatte. Doch das hatte er gewusst, als er der Polizei den Befehl erteilt hatte, den Strand abzuriegeln und jede Form von physischem Widerstand zu ersticken, während die Lander eintrafen. Kooperation bedeutete, dumme Aktionen des Trotzes seitens der Bevölkerung unter Kontrolle zu halten. Leben würden gerettet werden, auch wenn es ihm niemand dankte. Vielleicht schuldete er es der Bevölkerung von Memu Bay wegen all der schmierigen Hinterzimmervereinbarungen, die er im Lauf der letzten Jahre getroffen hatte. Es war eine Sichtweise, die ihm half, die dumpfe Depression wenigstens ein klein wenig zu lindern.
Ein Trommelfeuer aus Überschallknallen ließ ihn zusammenzucken. Sie klangen wie Explosionen. Die Scheiben in den Fenstern klapperten. Scharen von Vögeln flatterten erschrocken hinauf in die Luft über der Stadt.
Draußen in der Bucht setzten die ersten Lander im Wasser auf. Dicke Kegel rasten in einem Winkel von nahezu fünfundvierzig Grad herab und krachten ein paar Hundert Meter vor dem Strand in die trägen Wellen. Gewaltige Fontänen spritzten vom Einschlagpunkt in Richtung Strand, gefolgt von den weiterschlitternden Landern, die auf einer mächtigen Bugwelle zum Ufer glitten. Mehrere Lander jagten knirschend den Strand hinauf oder überschlugen sich. Eine der Maschinen kam erst ein kurzes Stück vor der Mauer zum Halten.
»Schade«, brummte Don.
Der Großteil der Lander endete hüpfend und tanzend in den Wellen. Die Luken flogen auf.
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