Drachentochter
zu finden.
Ich blickte eilends zu Ido zurück, denn ich fürchtete, er könnte meinem Blick folgen. Das Klirren von Rykos Gefecht drang nur noch leise zu uns herüber. Verließ ihn seine so unerschütterliche Stärke nun doch?
»Eure Schwertkunst übertrifft Eure Trainingsleistung bei weitem«, sagte Ido. »Was für ein Drachenzauber ist das?«
Ich ging nicht auf seine Frage ein, sondern beobachtete, wie er sich zum nächsten Angriff sammelte. Ich durfte nicht wagen, mich noch weiter zurückzuziehen. Also hob ich meine Schwerter zu einem Zweiten Ziegendrachen und attackierte ihn mit schwirrenden Klingen. Der Aufprall ging mir durch Mark und Bein. Mit dem rechten Schwert wehrte ich seine nach meiner Brust zielende Klinge ab, doch sein Hieb war so schwach, dass es sich nur um eine Finte handeln konnte. Auch diese Erkenntnis verdankte ich Kinra – genau wie das Wissen, in welchem Winkel ich das linke Schwert zu halten hatte, um Idos brutalen Angriff auf meine Beine abzuwehren. Er zog sich zurück. Sein Lächeln war verschwunden.
»Seid nicht dumm, Mädchen«, sagte er. »Ihr werdet trotz Eurer zusätzlichen Fähigkeiten unterliegen. Ich brauche Euch lebend, aber es ist mir gleich, in welchem Zustand Ihr seid.«
Plötzlich begriff ich das Muster seines Angriffs: Er hieb nach den Händen, und wenn er zu Schwertstreichen ausholte, zielte er auf die Fußknöchel. Er wollte mich nicht töten – er wollte, dass ich hilflos war. Diese Erkenntnis ließ meine Wahrnehmung kurz vor Angst verschwimmen.
»Mylord, wir haben den Insulaner überwältigt«, rief der ältere Soldat.
Ido ließ mich nicht aus den Augen. »Lebt er?«
»Ja, Mylord.«
Ido lächelte. »Wenn Ihr Euch jetzt ergebt, Eona, könnt Ihr Eurem Freund viel Leid ersparen.«
Ich umklammerte meine Schwerter nur fester.
Ido hob die Brauen. »Oder seid Ihr so kaltblütig, ihn eines grässlichen Todes sterben zu lassen?«
»Nein«, flüsterte ich.
Er kam auf mich zu. Ich hob die Schwerter und trat einen Schritt zurück. Wenn ich aufgab, würde er sich meines Willens für immer bemächtigen.
Sein Lächeln wurde breiter. »Bring den Insulaner her«, befahl er.
Die beiden überlebenden Soldaten hakten Ryko unter und schleiften ihn zu uns herüber. Er hielt den Kopf gesenkt; Blut war ihm unter der Rüstung hervorgesickert und hatte auf seiner Hose einen großen dunklen Fleck gebildet, sodass sie ihm an den Oberschenkeln klebte. Auf einen Wink von Ido hin ließen die Männer ihre Last los und Ryko schlug mit dumpfem Geräusch auf den Boden. Sein Gesicht war mir zugedreht und seine dunkle Haut war seltsam grau. Ich wagte es, die Soldaten anzusehen: Beide waren verwundet. Ryko hatte ihnen den Sieg schwer gemacht.
Ido stieß Ryko in die verletzte Flanke und der Insulaner stöhnte keuchend auf. Er war kaum noch bei Bewusstsein.
Ido sah mich an. »Und?«
Ich wusste, dass Ryko nicht damit einverstanden wäre, wenn ich mich ergäbe. Doch ich kannte auch Lord Ido; diesem Mann war jede Gnade fremd. Er würde mich zwingen, die Leiden meines Freundes mit anzusehen. Und er würde es genießen, zugleich Rykos körperliche und meine seelischen Qualen zu beobachten. Ich wandte den Blick nicht von dem Drachenauge, obwohl alles in mir sich danach sehnte, kurz Augenkontakt zu Lady Dela aufzunehmen.
»Halte ihn am Boden.«
Der ältere Soldat setzte Ryko das Knie zwischen die Schulterblätter und stützte ihm den Unterarm in den Nacken. Der Insulaner bewegte sich, wehrte sich aber nicht.
»Spreiz ihm die Hand und halt sie fest«, befahl Ido dem zweiten Soldaten.
Der Mann hockte sich neben Ryko, zog eine seiner Hände unter dem Körper hervor und drückte sie flach aufs Pflaster. Ido hob sein Schwert, ließ die Spitze über Rykos Fingerknöcheln schweben und fuhr sich mit der Zunge genießerisch über die Lippen.
»Legt Eure Schwerter ab, Eona«, sagte er leise.
Mögen die Götter und Ryko mir vergeben! Ich rührte mich nicht.
Für einen Moment, der wie eine Ewigkeit währte, starrte Ido mich mit einem seltsamen Lächeln an. Dann stieß er die Schwertspitze durch Rykos Hand. Der Schrei meines Freundes ließ mich schaudern. Er schlug um sich und wollte seine zuckende, aufgespießte Hand freibekommen, doch der eine Wächter hielt sein Handgelenk am Boden und der andere drückte ihm weiter das Knie in den Rücken. Ein Rinnsal Blut drang unter Rykos Hand hervor.
»Mehr?«, fragte Ido, wartete meine Antwort aber nicht ab, sondern ruckte mit dem Schwert nach links und rechts und
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