Drachentochter
Pflaster und sah die Überraschung des Soldaten, als sein Schwert durch Luft schnitt und er beinahe das Gleichgewicht verlor. Ich hatte keine Zeit zum Nachdenken. Keuchend rappelte ich mich auf und stieß ihm Kinras Schwert in den Oberschenkel. Mein Hieb drang ihm tief ins Fleisch, traf den Knochen und fügte dem Soldaten eine klaffende Wunde zu, aus der das Blut stoßweise strömte. Schreiend zuckte er zurück, ließ eins seiner Schwerter zu Boden klirren und drückte die klaffende Wunde zusammen. Einen Augenblick lang waren wir vor Schreck wie erstarrt. Dann taumelte er – vor Wut und Schmerz rasend – auf mich zu, um mich mit dem anderen Schwert abzustechen.
Der Spiegeldrache schlägt mit dem Schwanz.
Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, wieder in der Arena zu sein und gegen Ranne zu kämpfen. Doch diesmal zögerte ich nicht, sondern wirbelte herum, landete auf allen vieren, trat nach hinten aus und stieß seinen niederfahrenden Arm beiseite. Seine Waffe krachte aufs Pflaster, während ich mich umdrehte und ihm Kinras Schwert so in den Leib ramm te, dass der lebenswichtige Strom seines Hua unterbrochen wur de. Als ich dem Soldaten die Waffe aus dem Leib zog, sprudelte seine Lebenskraft geradezu aus ihm heraus. Sein gequälter Schrei verging im Röcheln seines letzten Atemzugs. Er stürzte neben mir zu Boden und sein Urin vermischte sich mit seinem Blut zum stickigen Geruch des Todes.
Mühsam zog ich mich an einer Kiste hoch. Die Augen des Soldaten waren bereits entseelt, doch ihr stumpfer Blick heftete mich geradezu an das rohe Holz in meinem Rücken. Die Schwerter fielen mir aus den Händen. Ich hatte ihm das angetan – ich war es, die das Strömen seines kostbaren Hua für immer beendet hatte. Ich suchte nach einem Grund. Er hatte versucht, mich zu töten. Es war Notwehr gewesen. Ich hatte überlebt. Meine Erleichterung steigerte sich zu einem wilden Hochgefühl, um gleich darauf in zitternden Schrecken umzuschlagen. Er war so reglos. Der Tod war etwas so Stilles. So Gleichgültiges. Nur im Herzen und Verstand der Menschen hatte er eine Bedeutung.
Ich wandte den Kopf vom blicklosen Starren des Soldaten ab. Der Tod dieses Mannes würde mir mein Leben lang nicht gleichgültig sein.
Heraneilende Schritte ließen mich auf die Knie gehen. Kaum griff ich nach Kinras Schwert, da kam Ryko um die Ecke. Er hatte den Arm um Lady Delas Taille geschlungen und zerrte die völlig Erschöpfte mit sich.
»Zum Gitter, los«, rief er.
Ich rappelte mich auf.
»Lasst das Mädchen leben!« Das war Idos Stimme.
24
Ryko zog Lady Dela hinter den ersten Stapel. Sie war in seinem Arm zusammengesunken, ihr Gesicht bedrohlich blass.
»Nehmt sie«, sagte er. Sie war so schwer, dass ich sie kaum herumdrehen und an die Kiste lehnen konnte. Frisches Blut sickerte durch ihren Verband und die aufgeschlitzte Rüstung. Ihre Lider flatterten.
Ryko musterte das blutige Schwert in meiner Hand. »Alles in Ordnung?«
»Mir geht’s gut.«
»Hier.« Er gab mir das Zwillingsschwert und eine Woge neuer Energie frischte meine erschöpften Reserven auf. »Und jetzt ab zum Gitter. Ich halte sie auf.«
Der Eingang in die Sackgasse war plötzlich von vier Solda ten in dunkler, eng anliegender Rüstung blockiert: Idos Pri vatgarde. Zwei der Männer stürzten sofort mit gezückten Schwertern heran. Hinter ihnen ließ Ido den Blick über den Gang schweifen und seine Größe verlieh ihm freie Sicht. Zwar lag sein Gesicht im Dunkeln, doch ich spürte es, als er mich entdeckte.
»Ich will das Mädchen lebend«, befahl er, und seine Stim me klang seltsam zärtlich. »Die anderen könnt ihr umbringen.«
Ryko hob die Waffen des toten Schwertmanns auf. »Um Sholas willen, beeilt Euch endlich«, fuhr er mich an. »Ich kann sie nicht lange aufhalten.«
Er stürmte Idos Vorhut entgegen. Die beiden Soldaten waren bereits auf Höhe der ersten Stapelreihe und wappneten sich gegen seinen Angriff. Das Klirren von Metall auf Metall hallte von den Mauern wider, und die Soldaten führten ihre Schwerter mit solcher Wucht, dass sie Ryko rasch zu uns zurückdrängten. Mit seinem Körper versperrte er den schmalen Gang. Neben mir rührte sich Lady Dela, die das Waffengeklirr aufgeschreckt hatte. Den gleichzeitigen Ansturm beider Männer konnte Ryko nur mit Mühe abwehren. Er würde uns die zwei nicht lange vom Leib halten.
»Helft mir«, sagte Lady Dela und nestelte an ihrer Rüstung. »Ich werde weiter nach dem Namen suchen …«
Es gelang ihr nicht,
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