Drachentochter
schwere Keuchen, das auf schmerzreiche Anstrengungen deutete, gab mir Hoffnung.
»Weg da«, befahl Ido.
Mein Hieb fuhr durch die Luft, weil mein Gegner sich zur Seite wegduckte, um seinem Meister Platz zu machen.
»Versuch, ihn gefangen zu nehmen«, sagte Ido zu dem Soldaten und wies dabei auf Ryko. »Und dann finde mir die Missgeburt.«
Der Soldat nickte knapp und zog sich zurück. Falls Ryko verletzt war, würde er sich gegen diesen gerissenen Fechter nicht lange behaupten können. Ich hob die Schwerter und versuchte, in der kurzen Kampfpause auf Vorrat Luft zu holen.
Ido lächelte mich an und brachte seine Schwerter in die gleiche Stellung wie ich. Er hatte sein reich besticktes Gewand abgelegt, und sein dünnes leinenes Untergewand ließ die breiten Linien von Schultern und Brustpartie sehen. Ich hatte seine gewaltige Körperkraft bereits im Drachenhaus in Daikiko zu spüren bekommen. Und flink war er auch. Ich spreizte die Zehen, um meine Beine zu lockern, die vor Erschöpfung zitterten.
»Für einen Krüppel kämpft Ihr ausgezeichnet«, sagte er. »Vielleicht steht Euch mehr Macht zur Verfügung, als Ihr zugebt.«
Ich blickte ihm in die bernsteinfarbenen Augen. Es stand kein silbernes Hua in ihnen – er bediente sich also nicht seiner Drachenkraft –, doch auf dem Grund seiner Pupillen schimmerte ein Licht, das von Wahnsinn zeugte. Wie kämpfte man gegen einen Verrückten? Ich schlang die Hände fester um Kinras Schwerter: ein wortloses Flehen um die Kraft, ihn aufzuhalten.
»Ihr habt alle anderen Drachenaugen getötet, nicht wahr? Sogar die Lehrlinge«, rief ich und achtete auf das Flackern in seinen Augen, dass seinem Angriff knapp vorausgehen würde. Rykos verbissener Kampf hallte von den Mauern wider, doch ich durfte den Blick nicht von meinem Gegner nehmen.
Ido schob sich vorwärts und zwang mich, einen Schritt nach hinten zu machen. »Sethon hat mich gezwungen. Er dachte, er könne erst mich dazu benutzen, den Thron zu erobern, und dann die Seite wechseln und den Drachenrat dazu benutzen, mich zu töten.« Er schnaubte und hob verächtlich das wuchtige Kinn. »Jetzt gibt es keinen Drachenrat mehr, nur Euch und mich – und mehr Macht, als Sethon sich jemals erträumt hat.«
»Ihr habt nur eins erreicht: Ihr habt dem Land die Wächter geraubt«, erwiderte ich. »Es wird kein Land mehr geben, über das man herrschen könnte.«
»Versteht Ihr denn nicht? Wenn ich Euch habe, werde ich sein Wächter sein.« Sein Gesicht leuchtete. »Es ist Zeit, den Drachenthron wieder mit der Drachenmacht zu vereinen.«
Plötzlich zischten seine Klingen durch die Luft. Kinras Reaktionsschnelligkeit ließ mich die Waffen rasch genug heben, um seine brutalen Schläge abzuwehren, doch ihre Wucht zwang mich zum Rückzug. Ido ließ seine Schwerter erneut auf mich niedergehen und prügelte auf meine Klingen ein. Kinras Wissen gab mir zu verstehen, dass er sehr geübt und viel versierter war als ein gewöhnliches Drachenauge. Er beugte sich über unsere überkreuzten Schwerter, und ich stemmte mich gegen seinen schweren Körper, bis meine Muskeln sich vor Anstrengung verkrampften. Aus der Nähe sah ich seine von Erschöpfung und Drogenmissbrauch zeugenden Augenringe; mein Versuch, seinen Drachen zu gewinnen, hatte seine Macht vermindert, doch er war noch immer überwältigend stark. Und sein Lächeln erfüllte mich mit einer Angst, die mir übel werden ließ. Er wollte mich verletzen.
Rückzug war der einzige Weg, um von ihm loszukommen. Doch wenn ich mich weiter in die Sackgasse zurückzöge, würde er Lady Dela sehen. Und das wäre ihr Tod.
Der Pferdedrache bäumt sich auf und schlägt aus.
Ich kannte diese Kampffigur und griff nach ihr wie nach einem Strohhalm. Noch einmal rief ich Kinra an, dann drückte ich gegen Idos Schwerter, schaffte es, sie zu den Seiten abzulenken, und trat ihm zugleich so brutal gegen das Knie, dass ich den Stoß bis in meine kaputte Hüfte spürte. Er sprang zurück, hieb nach meinem Fuß und verfehlte ihn nur knapp. Ich torkelte ein wenig, ehe ich das Gleichgewicht zurückgewonnen hatte, und merkte, dass ich bis zur Höhe von Lady Delas Versteck getaumelt war. Sie hatte sich die Wand hinabgleiten lassen, kauerte am Boden und überflog noch immer in panischer Eile die Seiten des Buchs. Nun sah sie mit einem Ruck auf. Im ersten Moment stand nackte Angst in ihren Augen, doch als sie mich erkannte, gab sie mir mit so stummem wie verzweifeltem Blick zu verstehen, sie sei kurz davor, etwas
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