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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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behelligt zu werden.
    »Ist es schlau, sich hier zu verstecken?« fragte sich Connie.
    »So schlau wie sonst wo, denke ich, und ein bisschen schlauer als anderswo.«
    Veranstalter von Rave-Partys mieteten Lagerhäuser und Fabrikhallen für ein bis zwei Nächte und ließen das Ereignis immer an einem anderen Ort stattfinden, um nicht von der Polizei aufgespürt zu werden. Wo die nächsten Raves stattfanden, wurde in Underground-Zeitschriften und auf Flugblättern angekündigt, die in Plattengeschäften, Nachtclubs und Schulen verteilt wurden. Alles wurde im Code der Subkultur geschrieben und man benutzte Wendungen wie: »The Mickey Mouse X-Press«, »American X-Press«, »Double-Hit-Mickey«, »Get X-rayed«, »Alles über Zahnmedizin« und »Kostenlose Luftballons für die Kleinen«. Mickey Mouse und X waren Spitznamen für eine starke Droge, die gemeinhin eher als Ecstasy bekannt war, während Hinweise auf Zahnmedizin oder Luftballons bedeuteten, dass Stickstoffmonoxyd, also Lachgas, verkauft würde.
    Die Polizei durfte auf keinen Fall von den Partys Wind bekommen. Denn der Sinn jeder illegalen Rave-Party - im Gegensatz zu den zahmeren Imitationen in den erlaubten Rave-Nachtclubs - waren Sex, Drogen und Anarchie.
    Harry und Connie gingen an den Rausschmeißern vorbei durch die Tür mitten in das Herz des Chaos, eines Chaos allerdings, in das die PAUSE eine flüchtige und künstliche Ordnung gebracht hatte.
    Der höhlenartige Raum wurde von einem halben Dutzend roter und grüner Laser erleuchtet, etwa einem Dutzend gelber und roter Spots und von blitzenden Stroboskoplampen. All diese Lichter hatten geblinkt und waren über die Menge gefegt, bis die PAUSE sie zum Stillstand brachte. Nun fielen Lanzen aus buntem, feststehendem Licht auf einzelne Partygäste und ließen andere im Dunkeln.
    Vier- bis fünfhundert Leute, zum größten Teil zwischen achtzehn und fünfundzwanzig, aber einige auch erst fünfzehn, waren entweder mitten im Tanzen erstarrt oder hingen einfach nur so herum. Da die Diskjockeys bei Raves ausnahmslos hoch gepowerte Techno-Musik spielten, mit einem rasch hämmernden Bass, der die Wände zum Wackeln bringen konnte, waren viele der jungen Tänzer mit verrenkten Körpern und fliegenden Haaren in die PAUSE geschickt worden, erstarrt in bizarren Posen hingebungs vollen Gefuchtels und Herumwirbelns. Die Männer und Jungen trugen größtenteils Jeans oder Drillichhosen, dazu Flanellhemden und nach hinten gedrehte Baseball-Kappen oder schicke Sportjacketts über T-Shirts; einige waren allerdings auch ganz in Schwarz gehüllt. Die Mädchen und jungen Frauen waren unterschiedlicher gekleidet, doch jedes Outfit war provokativ - eng, kurz, tief ausgeschnitten, durchsichtig, aufreizend; schließlich waren Raves Feste des Fleischlichen. Statt der dröhnenden Musik herrschte nun Grabesstille, auch das Schreien und Rufen der Partygäste war verstummt; zusammen mit der Regungslosigkeit gab das unheimliche Licht den entblößten Rundungen von Waden, Oberschenkeln und Brüsten etwas Anti-Erotisches und Leichenhaftes.
    Während er und Connie sich durch die Menge bewegten, fiel Harry auf, dass die Gesichter der Tänzer zu grotesken Mienen verzogen waren, die wahrscheinlich Erregung und angeturnte Fröhlichkeit vermittelt hatten, als sie noch belebt waren. Doch nun, so quasi als Momentaufnahme, hatten sie sich auf unheimliche Weise in Masken von Wut, Hass und Qual verwandelt.
    Das grelle Licht der Laser und Spots und die psychedelischen Bilder, die Filmprojektoren auf zwei riesige Wände strahlten, konnten leicht den Eindruck vermitteln, dass dies eigentlich gar keine Party War, sondern ein Diorama der Hölle, wo sich die Verdammten vor Schmerzen wanden und schreiend darum baten, von ihren fürchterlichen Qualen erlöst zu werden.
    Dadurch, dass die PAUSE der Rave-Party den Lärm und die Bewegung genommen hatte, hatte sie vielleicht den wahren Charakter dieses Ereignisses bloßgelegt. Vielleicht war das hässliche Geheimnis unter der glitzernden und lärmenden Oberfläche, dass diese Feiernden in ihrer zwanghaften Suche nach starken Gefühlen im Grunde überhaupt keinen Spaß hatten, sondern an ihrem höchst privaten Elend litten, von dem sie verzweifelt Erlösung suchten, ohne sie zu finden.
    Harry führte Connie von den Tänzern weg zu den Zuschauern, die an den Wänden des riesigen, überwölbten Raumes herumstanden. Einige waren von der PAUSE in kleinen Gruppen erwischt worden, mitten in gebrüllten Unterhaltungen

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