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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ohne sich daran erinnern zu können, wie er in diese unglückliche Situation geraten war. Im Bruchteil einer Sekunde wäre er vom Angreifer zum Gefangenen geworden.
    Harry sagte: »Ich glaube, jetzt verstehe ich, wie ich in Ordegards Küche dreimal auf demselben Stuhl gelandet bin, mit dem Lauf meines eigenen Revolvers im Mund.«
    »Er hat dich immer wieder aus der realen Zeit herausgenommen und dorthin verfrachtet.«
    »Ja. Ein Kind, das einem einen Streich spielt.«
    Connie fragte sich, ob auf diese Weise auch die Schlangen und Taranteln in die Küche von Ricky Estefan gekommen waren. Hatte Ticktack sie während einer früheren PAUSE aus Tierhandlungen, Laboratorien oder sogar aus ihren Nestern in der freien Wildbahn geholt und sie dann in den Bungalow gebracht? Hatte er die Zeit - zumindest für Ricky - wieder weiterlaufen lassen und den armen Mann mit dem plötzlichen Überfall durch die Tiere in Angst und Schrecken versetzt?
    Connie ging von dem Auto weg auf den Parkplatz, wo sie stehen blieb und in die unnatürlich stille Nacht lauschte.
    Es war, als ob alles auf der Welt plötzlich gestorben wäre, angefangen vom Wind bis zur gesamten Menschheit, und der ganze Planet nur noch ein einziger Friedhof sei, auf dem das Gras, die Blumen, die Bäume und die Trauernden aus demselben Granit waren wie die Grabsteine.
    In den letzten Jahren hatte sie zuweilen daran gedacht, die Polizeiarbeit hinzuschmeißen und in eine billige Hütte am Rand der Mojave-Wüste zu ziehen, so weit von anderen Menschen entfernt, wie das nur eben ging. Sie lebte so spartanisch, dass sie beträchtliche Ersparnisse hatte; wenn sie wie eine Wüstenratte lebte, würde sie lange mit dem Geld auskommen. Verglichen mit der modernen Zivilisation kamen ihr die kargen, menschenleeren Weiten aus Sand und Gestrüpp ungeheuer attraktiv vor.
    Doch die PAUSE unterschied sich radikal von der Ruhe einer ausgedörrten Wüstenlandschaft, wo das Leben immer noch ein Teil der natürlichen Ordnung war und die Zivilisation, so krank sie auch war, immer noch irgendwo hinter dem Horizont existierte. Nach nur etwa zehn Nicht-Minuten Reglosigkeit und Stille, die so tief waren wie der Tod, sehnte sich Connie nach dem menschlichen Zirkus in all seinen Farben und Verrücktheiten. Zwar hatte die menschliche Spezies zuviel übrig für Lug und Trug, Neid, Ignoranz, Selbstmitleid, Selbstgerechtigkeit und utopische Visionen, die immer zum Massenmord führten - doch so lange sie sich nicht selbst auslöschte, lag in ihr dennoch das Potential, besser zu werden, Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen, zu leben und leben zu lassen und sich als Verwalter der Erde zu bewähren.
    Hoffnung. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Connie Gulliver begonnen, daran zu glauben, dass Hoffnung an sich schon ein Grund war, zu leben und die Zivilisation so hinzunehmen, wie sie war.
    Doch Ticktack war, so lange er lebte, das Ende der Hoffnung.
    »Ich hasse diesen Scheißkerl, wie ich noch nie jemanden gehasst habe«, sagte sie. »Ich will ihn kriegen. Ich will ihn kaltmachen. Ich will das so sehr, dass ich es kaum aushaken kann.«
    »Um ihn zu kriegen, müssen wir erst mal am Leben bleiben«, erinnerte Harry sie.
    »Gehn wir.«
     

Kapitel 24
     

    In dieser regungslosen Welt in Bewegung zu bleiben, schien zunächst das klügste zu sein, was sie machen konnten. Denn wenn Ticktack sich an sein Versprechen hielt und nur seine Augen, Ohren und seinen Verstand benutzte, um sie aufzuspüren, nahm ihre Sicherheit in direktem Verhältnis zu der Entfernung zu, die sie zwischen ihn und sich legten.
    Während Harry mit Connie von einer verlassenen Straße zur anderen lief, überlegte er sich, dass eine mehr als gute Chance bestand, dass der Verrückte Wort hielte, sie tatsächlich nur mit normalen Mitteln verfolgen und unverletzt aus der PAUSE entlassen würde, wenn er sie nicht innerhalb einer Stunde realer Zeit zu fassen kriegte. Schließlich war der Scheißkerl trotz seiner unglaublichen Macht ganz offensichtlich unreif, ein Kind, das ein Spiel spielte, und manchmal nahmen Kinder Spiele ernster als das reale Leben.
    Natürlich würde es, wenn er sie freiließ, immer noch 29 Minuten nach eins sein, wenn die Uhren endlich wieder anfingen zu ticken. Noch fünf Stunden bis zum Morgengrauen. Obwohl Ticktack dieses besondere Spiel im Spiel streng nach den Regeln spielen mochte, die er festgelegt hatte, würde er dennoch an der Absicht festhalten, sie im Morgengrauen zu töten. Wenn sie die PAUSE

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