Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
überlebten, würde ihnen das lediglich eine geringe Chance geben, ihn zu finden und zu zerstören, sobald die Zeit wieder lief.
    Und selbst wenn Ticktack sein Versprechen brach und irgendeinen sechsten Sinn benutzte, um sie aufzuspüren, war es klug, in Bewegung zu bleiben. Vielleicht hatte er ihnen übersinnliche Kennungen angeheftet, wie Harry am frühen Abend vermutet hatte; in diesem Fall könnte er sie - wenn er betrog, überall finden, egal wohin sie gingen. Wenn sie in Bewegung blieben, waren sie zumindest so lange sicher, wie es ihm nicht gelang, sie zu erwischen oder ihrem nächsten Schritt zuvorzukommen.
    Mit leicht metallisch klingenden Schritten liefen sie durch Straßen, Gassen und wieder Straßen, über Höfe und zwischen stillen Häusern hindurch, kletterten über Zäune und überquerten einen Schulhof. Jeder Schatten schien fest wie Eisen zu sein, und die Neonlampen brannten so ruhig, wie Harry es noch nie gesehen hatte, und malten ewige Regenbogen auf den Asphalt. Sie kamen an einem Mann im Tweedmantel vorbei, der seinen Scotchterrier spazieren führte; beide waren so regungslos wie Bronzefiguren.
    Sie liefen an einem schmalen Flussbett entlang, wo das Wasser von dem Gewitter am Nachmittag gefroren war, aber ganz und gar nicht wie Eis: klarer als Eis, aber schwarz von der Reflexion der Nacht und mit silbrigen Lichtern durchsetzt statt mit gefrorenen weißen Kristallen. Die Oberfläche war auch nicht glatt wie bei einem zugefrorenen Bach im Winter, sondern von Turbulenzen aufgewühlt, mit Vertiefungen und Erhebungen. An den Stellen, wo der Bach über Steine plätscherte, hingen unbewegte Spritzer glitzernden Wassers in der Luft, die kunstvollen Skulpturen aus Glasscherben und Perlen glichen.
    Wenn sie auch in Bewegung bleiben wollten, war es ihnen doch schon bald unmöglich, immer weiter zu fliehen. Sie waren bereits müde und steif vor Schmerzen gewesen, als sie anfingen zu laufen; jede zusätzliche Anstrengung verlangte einen erheblich höheren Tribut von ihnen.
    Obwohl sie sich in dieser versteinerten Welt genauso leicht zu bewegen schienen wie in der gewohnten, fiel Harry auf, dass sie beim Laufen keinen eigenen Wind erzeugten. Die Luft teilte sich um sie herum wie Butter um ein Messer, aber ihr Laufen löste keinerlei Luftbewegung aus, was darauf hinwies, dass die Luft objektiv dichter war als sie subjektiv erschien. Ihre Geschwindigkeit konnte erheblich niedriger sein, als sie ihnen vorkam, was bedeutete, dass sie sich mit einer viel größeren Anstrengung vorwärts bewegten, als ihnen bewusst war.
    Außerdem quälten Harry der Kaffee, der Cognac und der Hamburger, den er gegessen hatte, im Magen. Auch im Brustkorb spürte er brennende Stiche.
    Was noch schlimmer war: Während sie von Block zu Block durch dieses Mausoleum von der Größe einer Stadt flohen, verstärkte eine unerklärliche Umkehrung der biologischen Reaktion ihr Elend noch. Obwohl ihnen von der Anstrengung hätte heiß sein müssen, wurde ihnen immer kälter. Harry gab keinen Schweiß von sich, nicht einmal eisigen. Seine Finger und Zehen fühlten sich an, als hätte er sich mühsam über einen Gletscher in Alaska geschleppt und nicht durch einen Badeort in Südkalifornien.
    Die Nacht selbst fühlte sich nicht kälter an als vor der PAUSE. Vielleicht sogar etwas weniger kühl, da mit allem anderen auch die frische Brise vom Meer erstorben war. Der Grund für diese merkwürdige innere Kälte war offenbar nicht die Lufttemperatur, sondern geheimnisvoller und tiefgründiger - und beängstigender.
    Es war, als ob die Welt um sie herum, deren ungeheure Energie man zum Stillstand verdammt hatte, zu einer Art schwarzem Loch geworden wäre, das erbarmungslos ihre Energie absorbierte und aus ihnen heraussaugte, bis sie nach und nach so leblos wie alles übrige waren. Er glaubte allmählich, dass es dringend erforderlich wäre, die Reserven, die sie noch hatten, aufzusparen.
    Sie waren gerade durch eine Wohngegend gelaufen und hatten das östliche Ende eines Canons betreten, auf dessen Hängen Gestrüpp wuchs, als unzweifelhaft klar war, dass sie anhalten und sich ein Versteck suchen müssten. Auf den ebenen Grundstücken entlang der dreispurigen Zufahrtsstraße, die von Natriumdampflampen erleuchtet wurde, hatten sich Gewerbebetriebe angesiedelt, die auf ihr Image bedachte Städte wie Laguna Beach vorsorglich von den Haupttouristenstrecken zu verbannen pflegten.
    Beide zitterten, während sie im Schritttempo weitergingen. Sie hatte die

Weitere Kostenlose Bücher