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Drachentränen

Drachentränen

Titel: Drachentränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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störte, dass dieser Verlierer seinen Elvis-Mist nicht auf die Reihe kriegte.
    »You’re the Devil in Disguise, Don’t Cry Daddy, Do the Clam!«
    »Do the Clam?« sagte Harry.
    Connie zuckte zusammen. »Yeah, ich fürchte, das war Elvis.«
    Während die Funken aus den offenen Drähten der beschädigten Beleuchtung über ihnen sprühten, durchquerten sie den Raum jeweils an einer Seite einer langen, hüfthoch aufgestapelten Reihe von Kisten und näherten sich damit dem Zugang zum Dachboden.
    Aus der Welt jenseits des Staub gemaserten Fensters hörte man von ferne Sirenen. Verstärkung und Krankenwagen.
    Connie zögerte. Jetzt wo der Freak auf dem Dachboden war, wäre es vielleicht das Beste, ihn mit Tränengas auszuräuchern oder ihn mit einer Blendgranate auszuschalten.
    Doch sie verwarf den vorsichtigen Weg. Der wäre zwar für sie und Harry sicherer gewesen, könnte aber für alle anderen in der Innenstadt von Laguna Beach riskanter sein. Der Dachboden war eventuell gar keine Sackgasse. Eine Dachluke könnte dem Kerl einen Fluchtweg bieten.
    Offenbar hatte Harry den gleichen Gedanken. Er zögerte den Bruchteil einer Sekunde weniger als sie und begann als erster, die Leiter hochzuklettern.
    Sie hatte nichts dagegen, dass er die Führung übernahm, weil das nicht aus einem fehlgeleiteten Behüterinstinkt heraus geschah, also nicht dem Wunsch entsprang, seine Partnerin vor Gefahr zu schützen. Sie war eben als erste durch die Tür gegangen, also führte er diesmal. Ganz intuitiv teilten sie sich das Risiko, was einer der Gründe war, weshalb sie trotz ihrer Unterschiede ein gutes Team bildeten.
    Natürlich wäre sie, obwohl ihr Herz hämmerte und ihr Bauch sich verkrampfte, lieber als erste gegangen. Eine feste Brücke zu überqueren war nie so befriedigend wie über ein Hochseil zu gehen.
    Sie kletterte hinter ihm die Leiter hinauf, und er zögerte am Ende nur kurz, bevor er in der Dunkelheit verschwand. Kein Schuss krachte, keine Explosion erschütterte das Gebäude, also trat Connie ebenfalls auf den Dachboden.
    Harry hatte sich aus dem grauen Lichtschein entfernt, der durch die Falltür kam, und kauerte in ein, zwei Metern Entfernung neben einer nackten, toten Frau.
    Auf den zweiten Blick stellte sich heraus, dass es sich um eine Schaufensterpuppe mit weit aufgerissenen, von einer Staubschicht überzogenen Augen und einem unheimlich heiteren Lächeln handelte. Sie war kahl, und ihr Gipsschädel wurde von einem Wasserfleck verunstaltet.
    Der Dachboden war dunkel, aber die Dunkelheit war nicht undurchdringlich. Blasses Tageslicht drang durch mehrere mit einem Drahtnetz geschützte Lüftungslöcher im Dachgesims und durch größere, mit Lamellen abgedeckte Lüftungsklappen in den Giebelwänden, wodurch mit Spinnweben behängte Sparren unter einem spitzen Dach sichtbar wurden. In der Mitte war es hoch genug, dass selbst ein großer Mann dort aufrecht stehen konnte, doch wenn man näher an die Seitenwände herankam, musste man sich ducken. Überall lauerten Schatten, und die aufgestapelten Lagertruhen und Kisten boten zahlreiche Möglichkeiten, sich zu verstecken.
    Eine Gemeinde schien sich an diesem hohen Ort versammelt zu haben, um eine geheime Satansmesse zu zelebrieren. Überall in dem langen, weitläufigen Raum sah man schemenhaft die Umrisse von Männern und Frauen, manchmal von der Seite, manchmal von hinten angeleuchtet, doch größtenteils kaum erkennbar. Sie alle standen, lehnten sich irgendwo dagegen oder lagen schweigsam und reglos herum.
    Das waren Schaufensterpuppen ähnlich der, die neben Harry auf dem Boden lag. Dennoch glaubte Connie, ihre starren Blicke zu spüren, und bekam eine Gänsehaut.
    Eine von ihnen könnte tatsächlich in der Lage sein, sie zu sehen, eine die nicht aus Gips bestand, sondern aus Fleisch, Blut und Knochen.
     

Kapitel 6
     

    Die Zeit schien in dem hohen Zufluchtsort der Schaufensterpuppen außer Kraft gesetzt zu sein. Die feuchte Luft stank nach Staub, dem scharfen Geruch vergilbter Zeitungen, vermodernden Kartons und stechend riechendem Schimmel, der sich in einigen dunklen Ecken ausgebreitet hatte und mit dem Ende der regnerischen Jahreszeit wieder verschwinden würde. Die Schaufensterpuppen beobachteten das Ganze mit angehaltenem Atem. Harry versuchte sich zu erinnern, was für Geschäfte sich außer dem Restaurant in dem Gebäude befanden, doch es fiel ihm keins ein, zu dem die Schaufensterpuppen gehören könnten.
    Vom östlichen Ende des lang gestreckten Raums kam ein

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