Drachenwacht: Roman (German Edition)
Bauchbesatzung, um Bomben abzuwerfen, das wäre nett, und es wäre auch praktisch, wenn Winston wieder da wäre, um Fellowes zur Hand zu gehen …«
»Diejenigen, die zurückkommen wollten, haben das getan«, sagte Laurence. »Ich kann niemanden dazu bringen, mit einem Verräter zusammenzuarbeiten.«
»Oh«, stieß Temeraire aus. »Aber…« Dann brach er ab. Es war ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass die anderen aus
der Mannschaft nicht hatten zurückkommen wollen , dass sie es vorzogen, lieber woanders zu dienen, auf einem anderen Drachen unter einem anderen Kapitän. Das kam ihm sehr merkwürdig vor, wo er doch jetzt ein Kommodore war und, wenn sonst schon nichts zählte, doch sehr viel beeindruckender aussah. Er fragte sich, ob sich Laurence vielleicht irrte oder nur zu schüchtern war, nach ihnen zu fragen. Vielleicht wussten sie noch gar nicht, dass er und Laurence wieder frei waren. »Aber Martin würde doch sicherlich kommen, oder auch Ferris«, sagte er.
Laurence schwieg einen Augenblick, dann sagte er: »Ferris ist aus dem Dienst entlassen worden«, nur, so hatte es den Anschein gehabt, weil die Admiräle glaubten, dass Ferris ihnen geholfen hatte, obgleich das überhaupt nicht der Fall gewesen war.
»Aber wo steckt er denn?«, fragte Temeraire. Wenn Ferris keinem anderen Drachen zugewiesen worden war, dann standen die Chancen doch gut, dass er wieder bei ihnen anfangen wollen würde. Laurence aber sagte entschieden: »Jeder Versuch der Kontaktaufnahme meinerseits dürfte vollkommen unerwünscht sein.«
Temeraire drängte ihn nicht weiter, aber im Stillen überlegte er sich, ob nicht vielleicht er selbst an Ferris schreiben sollte. Vielleicht konnte er Emily oder Sipho dazu bringen, einen Brief für ihn niederzuschreiben und Ferris’ Adresse herauszufinden. In diesem Augenblick landete ein Drache, den er flüchtig aus Dover kannte, Orchestia, auf dem Hof. Sie kehrte von einem Patrouillenflug zurück, und sein eigener Oberfähnrich Martin befand sich zwischen ihrer Besatzung. Sein leuchtend blondes Haar hob sich von seinem grünen Mantel ab.
»Mr. Martin«, rief Temeraire, als er ihn vorbeigehen sah, denn er hatte vor, ihn zu fragen, ob er nicht wechseln wolle. Außerdem wollte er sehen, ob er wusste, dass Temeraire zum Kommodore befördert worden war und ob er sich ganz sicher wäre, dass er nicht viel lieber mit ihm in einer ganz besonderen Mission fliegen wolle …
Martin fuhr zusammen, als er so von der Seite angesprochen
wurde, und sah sich um; aber dann wandte er sich wieder zurück und ging mit dem Rest von Orchestias Mannschaft in die Burg – kein Wort, keine Geste, obwohl er früher immer so freundlich gewesen war.
»Temeraire«, sagte Laurence, »ich wäre dir sehr verbunden, wenn du solche Versuche in Zukunft unterlassen würdest.«
»Ja, das werde ich«, antwortete Temeraire zutiefst niedergeschlagen. Es war nicht nur die Tatsache, dass Martin ihn ignoriert hatte. Er hatte es so offensichtlich getan, als wolle er jedem deutlich machen, dass das absichtlich geschehen war. Das hatte etwas besonders Kränkendes. Natürlich war es bei jedem denkbar, dass er einmal keine Lust auf eine Unterhaltung hatte, aber dies war ein eindeutiges Zurschaustellen gewesen, wie wenig er ausgerechnet mit ihnen ein Gespräch wünschte. »Aber«, sagte Temeraire langsam zu Laurence, »heißt das denn, er fand es nicht richtig, dass wir das Heilmittel rübergebracht haben? Er kann doch ganz sicher nicht gewollt haben, dass alle Drachen sterben…«
»Wenn er schon zwischen zwei Übeln wählen musste, fand er das vielleicht weniger schlimm als Verrat«, sagte Laurence, ohne den Kopf vom Buch zu heben, das er gerade las.
»Oh, dann tut es mir auch nicht leid um ihn«, sagte Temeraire trotzig. »Meinetwegen kann er ruhig bei Orchestia bleiben, wenn sie ihn haben will.«
Aber trotz seiner gespielten Tapferkeit war er sehr verletzt, und er hatte das Schlimmste noch gar nicht begriffen. Ihm war bis zu ebenjenem Nachmittag noch nicht klar gewesen, was sie dem armen Ferris angetan hatten. Sie waren alle versammelt und flugbereit, hatten die Geschirre angelegt, und ihre Epauletten leuchteten im schwachen Wintersonnenschein, als ein Läufer kam, um ihnen mitzuteilen, dass sie nach Edinburgh aufbrechen sollten. Dann wandte er sich an Laurence: »Mr. Laurence, Ihre Befehle, Sir, von der Admiralität«, wobei er ihm ein kleines Paket reichte.
»Ja«, antwortete Laurence und verbesserte den Jungen nicht;
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