Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
Vom Netzwerk:
erwiderte der alte Mann streitlustig. »Sind Sie das, Murat? Sind Sie das?« Er spähte Laurence ins Gesicht, berührte seinen Mantel und sagte, offensichtlich zufriedengestellt: »Sie sind nicht Napoleon; Sie sind Murat. Sind Sie hier, um mich zu töten? Geben Sie mir Ihren Arm«, sagte er mit einem Mal entschieden. Er umklammerte Laurence’ Arm und stützte sich schwer darauf. Den Blick hatte er fest auf die Kapelle gerichtet und begann erneut, entschlossen daraufzuzuhumpeln. »Sie wollen mich alle töten«, vertraute er Laurence an. »Sie sind gerade drin, um alles zu besprechen. Meine Söhne sind auch dort.« Er klang weder verärgert noch ängstlich, sondern eher so, als teile er interessanten Klatsch und Tratsch.
    Laurence sah zurück zum Turm, dann wieder zu dem alten Mann, und er musterte sein Profil. Dann dämmerte es ihm. »Sire«, sagte Laurence leise und mit elendiger Stimmer, »darf ich Ihnen bitte wieder hineinhelfen? Sie sollten nicht hier draußen sein bei diesem Wetter.« Er nestelte an den Verschlüssen seines eigenen Mantels, schüttelte ihn ab und legte ihn dem König um die Schultern.
    »Ich werde nach Windsor gehen«, sagte der König. »Da ist Napoleon nicht. Warum kann ich denn nicht nach Windsor gehen?« Er setzte seinen wackeligen Weg zur Kapelle fort, und Laurence musste entweder mit ihm Schritt halten oder ihn alleine gehen lassen. »Er ist in London, er ist in London. Er ist nicht in Windsor. Ich muss nicht nach Halifax. Es wäre feige zu fliehen. Wollen Sie, dass ich nach Halifax gehe?«, fragte er. »Mein Sohn will, dass ich verschwinde. Er will, dass ich auf dem Meer sterbe.«
    »Ich will Sie in Sicherheit sehen, Sire«, sagte Laurence, »und ich bin mir sicher, Ihr Sohn will das ebenfalls.«
    »Ich werde nicht gehen«, wiederholte der König. »Ich sollte nicht gehen. Ich werde in England sterben.«
    Wieder wurde die Tür aufgestoßen: Ängstliche Dienstboten eilten mit einem Mantel und einem Schirm herbei, den sie über ihm aufspannten, und sie bemühten sich, den König wieder ins Innere der Festung zu locken. Sie gönnten Laurence nur einen kurzen Blick, und er trat einen Schritt zurück, damit sie ihre Arbeit tun konnten. Die Stimme des Königs war deutlich zu hören, als er dagegen protestierte, weggeführt zu werden, dann jedoch wurde sie leiser, und es war nur noch undeutliches Murmeln zu hören. Schließlich erreichte er die Tür und ließ sich zurück in den Schutz der Festung ziehen.
    »Armer alter Bursche«, sagte der Sergeant der Marine, der näher gekommen war, um ihnen hinterherzusehen und einen Blick ins Innere des Turmes werfen zu können. »Ich schätze, er ist einfach verrückt geworden. Wer war das?«
    Laurence stand vor der geschlossenen Tür auf dem Hof, der Regen rann ihm wie Blut über das Gesicht und die Hemdsärmel, und er sagte laut: »O Gott, ich wünschte, ich hätte es nicht getan.«

Teil III

13
    Temeraire rollte sich ganz eng zusammen. Den Schwanz an den Körper geschmiegt, versuchte er zu schlafen – allerdings ohne viel Erfolg. Es gab so viele Dinge, über die er nicht nachdenken wollte, aber solange er wach war, rumorten sie in seinem Kopf und zwangen ihn zum Grübeln.
    Als sie auf dem Stützpunkt von Edinburgh gelandet waren, war es schon dunkel, und sie fanden das Gelände nass, trostlos und schlammig vor. Zudem war das Wasser des Teichs nicht trinkbar: Zu viele Drachen waren erst vor zu kurzer Zeit hier begraben worden. Also mussten die noch lebenden Drachen abwechselnd versuchen, den Kopf zu verdrehen, um ein dünnes Wasserrinnsal von den Burgmauern zu lecken, das unangenehm modrig schmeckte. Dann versuchten sie, einen Platz zwischen den beiden am weitesten entfernten Grabhügeln zu finden, doch es blieb ungemütlich. Sie lagen dicht gedrängt, und auch wenn mehr als genug Raum für den einen oder anderen von ihnen zwischen den übrigen Hügeln gewesen wäre, wollte keiner alleine liegen; stattdessen drängten sie sich tröstend noch näher aneinander. Laurence war beinahe sofort aufgebrochen, um mit Wellesley zu sprechen, und er blieb geraume Zeit verschwunden. Lange bevor er wiederkam, hatten die Drachen ihr Abendbrot verzehrt  – einige alte, zähe Kühe und drei Schafe, kleingehackt und am Spieß geröstet, zusammen mit einem großen Haufen Kartoffeln, die die Mannschaften auf Gong Sus Bitten hin besorgt hatten. Diese sogen das Aroma des Fleisches auf und waren keineswegs unappetitlich, aber sie hatten nicht lange genug gegart.
    »Ich

Weitere Kostenlose Bücher