Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
Vom Netzwerk:
besorgten Blick über die Schulter los; aber noch im Flug bemerkte er verwundert, dass sich die übrig gebliebenen Männer der Coldstream-Garde flach auf den Boden warfen, anstatt weiterzumarschieren. Und dann war ein Donnergrollen durch die Nebelbänke zu hören, und Rauch und orangefarbene Flammen waren ebenfalls zu sehen.
    Temeraire brach oben durch die Wolkendecke, und in diesem Augenblick
sah er sie: sechzehn Linienschiffe und die riesige, goldglänzende Victory an der Spitze, von deren Mast die Admiralsflagge Nelsons wehte. Sie alle feuerten volle Breitseiten direkt in die Frontreihe der französischen Männer und Drachen, die von schwarzen Rauchwolken umhüllt wurden, während der restliche Nebel sich endlich von ihren Segeln und Vorderteilen der Schiffe löste.
    Die französischen Drachen fielen in schockierender Zahl. In den Reihen der Schwergewichte wurde ein Ziel nach dem anderen von Kanonenkugeln erfasst: Flügel zerrissen und Knochen krachten, wenn sie auf ihre eigene Infanterie unter ihnen hinabstürzten. Nur ganz wenigen gelang es noch, sich mit unsicheren Flügelschlägen über die langsamere britische Infanterie zu schleppen und dieser empfindlichen Schaden zuzufügen. Der Grand Chevalier krachte durch die Reihen und rutschte so weit über den Boden, dass er schließlich in der Brandung landete, zerschmettert und reglos. Nur der Kopf hob und senkte sich noch eine Weile auf dem Wasser, als die tosenden Wellen über seinem Rücken zusammenschlugen.
    Temeraire spürte einen seltsamen, verstörenden Anflug von Mitleid, und seine Flügel wollten sich unwillkürlich vor der Brust übereinanderlegen, wie um sie zu schützen. Wieder ertönten die Trompeten, und die englische Artillerie auf den Flanken, die bislang noch nicht richtig zum Zuge gekommen war, ließ einen tödlichen Hagel von Kartätschengeschossen auf die hinteren Reihen und die Flanken der französischen Infanterie los, um sie in das gnadenlose Kanonenfeuer der Schiffe zu treiben.
    »Temeraire!«, schrie Laurence, und dieser fuhr zusammen. Excidium brüllte in der Ferne; und das war das Signal, aber er war noch nicht an seinem Platz. So schnell er konnte, schoss er weiter; er fühlte sich überhaupt nicht mehr müde, und die Aufregung des Augenblicks kribbelte in seinen Flügelspitzen. Er holte die anderen ab, die ebenfalls von dem entsetzlichen Spektakel abgelenkt worden waren, und gemeinsam flogen sie bis zum Korps, wo sich alle Drachen zu einem einzigen Block zusammenschlossen. Sie waren nun beinahe
hundert Tiere, und wie aus einer einzigen Kehle stießen sie ein Gebrüll aus und griffen die französischen Reserven an.
    Die französischen Soldaten wichen bereits zurück angesichts eines solchen Desasters. Die abstürzenden Drachen waren auch aus gut einer Meile Entfernung noch zu sehen, und der Wind blies nun stärker, sodass er die letzten Wolken und den Nebel völlig vertrieb. Nelsons Flaggschiff war deutlich am Ufer zu sehen, die Admiralsflagge wehte strahlend weiß, mit einem roten Kreuz, und die anderen Schiffe hatten sich in Schlachtlinie neben der Victory aufgereiht. Die Minotaur und die Prince of Wales sowie der ganze Rest der Flotte waren aus Kopenhagen zurückgekehrt, und gut sechs Prisen schaukelten neben ihnen auf dem Wasser.
    Die Angriffe von hinten rieben die Franzosen auf, und sie streckten die Waffen; aber da war nichts, wohin sie hätten fliehen können, außer in den geöffneten Schlund, der sie erwartete – das Kreuzfeuer der Marine und der Armee, deren Kanonen schon bereit waren, die Feinde in Empfang zu nehmen. Die englische Infanterie besetzte im gleichmäßigen Laufschritt die frei werdenden Flächen, und da endlich hörte Temeraire Lien. Sie brüllte zornerfüllt, denn die Infanterie hatte sie und die letzten französischen Luftreserven von Napoleon und seiner Garde abgeschnitten.
    Natürlich hatte Napoleon die Falle erkannt, und jede französische Trompete blies wild zum Rückzug, aber es war zu spät. Aus den geordneten Reihen der Franzosen waren Massen verängstigter Männer geworden, und die Drachen, vom gleichen Impuls angetrieben, gerieten allesamt ins Kanonenfeuer. Wellesley hatte alle seine Reserven in die Schlacht geschickt. Kompanien, die auf beiden Flanken zurückgehalten worden waren, lösten sich nun aus den Bäumen und aus dem Nebel. Die Artillerie bildete gleichsam eine Wand aus heißem Eisen, um die französischen Kräfte daran zu hindern, zu fliehen oder sich neu zu formieren.
    Die Schlinge legte

Weitere Kostenlose Bücher