Drachenwacht: Roman (German Edition)
Kapitäne befinden sich alle weiter oben in Schottland. Hier in unserer Gegend wird es keine Kämpfe geben.«
»Aber es betrifft sehr wohl auch uns«, sagte Temeraire. »Das Territorium gehört uns doch ebenfalls – uns allen, und die Franzosen versuchen, es uns wegzunehmen. Das betrifft uns genauso, als wenn sie probierten, uns unsere Höhlen wegzunehmen, ja mehr noch, denn sie würden auch alles andere aus unseren Höhlen an sich bringen.«
Die kleineren Drachen legten ihre Stöcke nieder und rückten interessiert näher, um zuzuhören. »Aber was sollen wir denn deiner Meinung nach tun?«, fragte Moncey.
In höchster Geschwindigkeit überflogen die offiziellen Kurierdrachen das Land in alle Richtungen, und ehe der Nachmittag um war, kehrten Moncey und die anderen Drachen mit jenen Neuigkeiten wieder, die Temeraire von Bedeutung erschienen waren. Auch wenn die wiedergegebenen Zahlen nicht richtig zusammenpassten, war das vielleicht nicht so wichtig; auf jeden Fall hatte Napoleon viele Männer über den Kanal gebracht, und alle befanden sich nahe London. Bislang hatte es noch keine größere Schlacht gegeben, um ihn wieder zu vertreiben.
»Er hat seine Männer überall entlang der Küste, und die anderen sagen, da gibt es diesen Kerl, Marschall Davout, der sich in Kent, südlich von London, herumtreibt, und einen anderen, Lefèbvre, der irgendwo in dieser Gegend unterwegs ist«, berichtete Moncey und deutete auf die Landschaft westlich der Stadt, ziemlich nahe an Wales.
»Oh, den kenne ich, der war auch bei der Belagerung von Danzig dabei«, sagte Temeraire. »Ich habe ihn nicht für besonders schlau gehalten. Er hat keinen größeren Versuch unternommen, uns aus der Stadt zu locken, ehe Lien kam und alles unter ihre Kontrolle brachte. Wo befindet sich unsere Armee?«
»Sie hat sich nach London zurückdrängen lassen«, teilte Minnow mit. »Jeder sagt, es wird dort eine große Schlacht geben, vielleicht schon in wenigen Wochen.«
»Dann dürfen wir keine Zeit verlieren«, sagte Temeraire.
Sie beriefen ein weiteres Ratstreffen ein, und jeder war sofort bereit zu kommen. Die anderen größeren Drachen waren nun deutlich respektvoller, auch wenn Ballista gönnerhaft wie eh und je war, als sie sagte: »Natürlich bist du verstört, das ist ja kein Wunder. Aber ich bin mir sicher, wenn du ihnen sagst, dass du gerne einen neuen Kapitän hättest …«
»Nein«, unterbrach Temeraire sie, und seine Stimme dröhnte so, dass sein ganzer Körper zitterte. Er wandte den Kopf ab, und alle anderen Gespräche verstummten. Einen Augenblick später hatte er sich wieder gefasst und konnte fortfahren: »Ich werde keinen anderen Kapitän auswählen«, sagte er. »Er wäre ein Fremder für mich, und ich brauche keinen Lenker, als ob ich eine von Lloyds Kühen wäre. Ich kann auch allein kämpfen, ebenso wie jeder andere von euch.«
»Aber wofür sollten wir denn kämpfen?«, fragte Requiescat. »Selbst wenn die Franzosen gewinnen, werden sie uns keine Schwierigkeiten machen. Es wird dann einfach jemand anderes unsere Eier holen und damit genauso vorsichtig umgehen, wie es bislang der Fall war.«
Zustimmendes Gemurmel schwoll an, und Moncey fügte mit klagendem Unterton hinzu: »Und ich dachte, es ginge dir darum, wie unfair die Admiralität ist, die uns keinerlei Freiheit lässt.«
»Ich will überhaupt nichts über die Regierung sagen«, entgegnete Temeraire. »Aber dieses Land ist ebenso unser Territorium, wie es
das der Menschen ist. Es gehört uns allen zusammen, und wenn wir einfach nur hier herumsitzen und Kühe fressen, während Napoleon versucht, es uns wegzunehmen, dann haben wir nicht das Recht, uns überhaupt über irgendetwas zu beklagen.«
»Aber worüber sollten wir uns denn dann beklagen?«, fragte Requiescat. »Wir hätten doch alles, was wir brauchen.«
»Dann würdest du dich also lieber um eine nasse, unbequeme Höhle streiten, als in einem Pavillon zu schlafen, der niemals nass oder kalt ist, selbst im Winter nicht?«, fragte Temeraire verächtlich. »Ihr denkt nur, die Dinge seien so, wie ihr sie gerne habt, weil ihr nie etwas Besseres gesehen habt. Und das liegt daran, dass ihr euer ganzes Leben hier oder auf irgendwelchen Stützpunkten eingesperrt verbracht habt.«
Als er ihnen die Pavillons ein wenig detaillierter beschrieb, ebenso wie die Drachenstadt in Afrika, und hinzufügte: »Und in Yutien gab es Drachen, die Händler waren, und alle besaßen Haufen von Juwelen. Die waren zwar nur
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