Drachenwacht: Roman (German Edition)
ein bisschen diskreter vorgehen können. Bist du … Seid ihr … hungrig, brauchst du …?«
Er geriet ins Stocken, und Laurence errötete, als er plötzlich begriff und ausspuckte: »Ich bin nicht aus dem Gefängnis geflohen, und ich stehe nicht an deiner Tür, um zu betteln. Ich bin vorerst begnadigt worden, um die Invasion niederzukämpfen.«
»Vorerst begnadigt«, wiederholte George. »Wegen der Invasion vorerst begnadigt, und dann steckst du hier, in der Mitte von Nottinghamshire? Ich frage dich, wer eine solche Geschichte glauben soll.«
»Gütiger Gott, ich lüge dich nicht an«, entgegnete Laurence ungeduldig.
»Ich werde es dir kein zweites Mal erklären. Wird mich mein Vater empfangen?«
»Nein, und ich werde ihm nicht einmal berichten, dass du hier bist«, antwortete George. »Er ist krank, Will. Er hat seit August fast zwanzig Kilo verloren, und die Ärzte sagen, er braucht Ruhe, verstehst du, absolute Ruhe, wenn du willst, dass er nächstes Jahr noch unter uns weilt. Er kann nicht einmal mehr das Gut verwalten; was glaubst du, warum ich hier bin? Und das ist auch alles gar kein Wunder, bei den Sorgen, die er hat. Wenn du Geld brauchst oder einen Platz zum Schlafen …«
»Ich bin nicht meinetwegen hier«, unterbrach ihn Laurence, und er fühlte sich irgendwie unbeholfen und fremd; die Vorstellung, dass sein Vater krank und schwach war, erschien ihm merkwürdig unwirklich. »Ich bin mit dem Korps hier. Wir müssen das Wild konfiszieren, um die Drachen zu versorgen. Zurzeit befinden sich neun davon hier«, fügte er hinzu, »und bis zum Morgengrauen werden es noch mehr geworden sein. Ich wollte nicht, dass du dich aufregst.«
»Neun …« George ließ den Blick zum Wildpark schweifen und sah die Lichter und die tanzenden Schatten von vielen Drachen. »Dann lügst du also nicht«, stellte er leise fest. »Was ist geschehen?«
Die Nachrichten ließen sich nicht gut verschweigen. »Haben eine Niederlage erlitten, vor London«, erklärte Laurence. »Die Armee ist von hier bis Weedon versprengt, und er hat zehntausend Gefangene genommen. Wir werden nach Schottland zurückgedrängt.«
»Mein Gott«, stieß George aus, und einen Augenblick standen sie gemeinsam dort und schwiegen. »Bleibst du im Wald?« Als Laurence nickte, fuhr George fort: »Nun ja, du kannst dir natürlich so viel Wild nehmen, wie ihr benötigt, das ist das Recht des Königs. Dann sind da noch die Ställe und das Bauernhaus … Ich werde für alle Soldaten Essen aus der Küche herunterschicken, und wir können eurem Oberbefehlshaber ein Bett zur Verfügung stellen …« Dies war nichts als eine lange Hinhaltetaktik, und als er schließlich nicht
mehr weiterwusste, sagte er drucksend: »Ich werde dich aber trotzdem nicht hereinlassen, Will, es tut mir leid.«
»Nein«, sagte Laurence, »natürlich nicht.« Er hätte hinsichtlich seiner selbst und seiner Kameraden auch darauf bestehen können: Es stand ihnen als Offizieren zu, sich einzuquartieren, wenn es im Haus Platz gab. Aber er brachte es nicht über sich. Wenn Jane das wollte, stand es ihr frei; er für seinen Teil konnte sich den Weg hinein nicht erzwingen.
»Kannst du mir sagen … Kommt Bonaparte bis hierher?«, fragte George ihn leise. »Soll ich Elisabeth, Mutter und die Kinder vielleicht nach Northumbria schicken …?«
»Ich gehe davon aus, dass er Männer herschickt, um Vieh für seine Drachen aufzutreiben«, sagte Laurence, »aber wenn er vorrückt, dann wird er die Küste entlangziehen; er kann unsere Außenposten nicht hinter seine Flanke geraten lassen.« Müde fuhr er sich mit der Hand über die Stirn. »Es tut mir leid; ich bin mir nicht sicher, welchen Rat ich dir geben soll, aber ich glaube, es gibt keinen viel sichereren Ort als den hier, es sei denn, du schickst sie nach Liverpool und von dort aus nach Halifax.«
George nickte erneut, drehte sich um und stieg die Treppe empor. An der Tür zögerte er, als ob er noch etwas sagen wollte; aber schließlich schwieg er doch. Er ging hinein, und die Tür schloss sich hinter ihm.
Laurence entfernte sich allein vom Haus, und seine Füße fanden auf den vertrauten Wegen trotz der Dunkelheit sicheren Tritt. Es waren keine Insekten zu hören, auch keine anderen Geräusche, abgesehen vom Seufzen des Windes, der hin und wieder raschelnd durch die Bäume fuhr, die wenigen trockenen Blätter hinabrieseln ließ, und den Geruch von Drachen, die sich ganz in der Nähe befanden, und von Rauch herüberwehte. Die
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