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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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langsam stumpf wurde.
    Die Fregatte war noch immer neben ihnen und machte ihnen die Arbeit schwer, und Laurence kam nicht gegen die Versuchung an, seinen Kopf dem Donnern der Kanone, das so nah schien, zuzuwenden. Eine Kugel sauste über das Wasser und setzte zwei oder drei Mal auf den Wellenkämmen auf, als wäre sie ein Stein, den ein kleiner Junge geschleudert hatte. Es sah so aus, als käme sie unmittelbar auf ihn zu, doch der Eindruck täuschte. Das ganze Schiff stöhnte, als sich die Kugel in den Rumpf grub, und Splitter stoben wie bei einem plötzlichen Schneesturm durch die Kanonenöffnungen. Sie verschonten auch Laurence’ Beine nicht, sondern stachen sie wie ein wilder Bienenschwarm, und rasch waren seine Strümpfe feucht vom Blut. Er klammerte sich an die Harpune und schwang hin und her; unablässig feuerte die Fregatte, eine heulende Breitseite nach der anderen; die Goliath schwankte entsetzlich unter den schweren Treffern.
    Laurence musste das Entermesser zurückreichen und nach einem neuen schreien, um den letzten Strang zu durchtrennen. Dann endlich war das Tau durchtrennt und baumelte haltlos hinunter, und die Matrosen zogen Laurence wieder an Bord. Er strauchelte, als er zu stehen versuchte, und sank auf dem blutigen Boden auf die Knie. Seine Strümpfe waren halb zerfetzt und rot durchtränkt, und seine besten Kniebundhosen, die er für den Prozess angezogen hatte, waren nun löchrig und fleckig. Ein paar Männer halfen ihm, sich gegen die Reling zu lehnen, und er zerschnitt sein eigenes Hemd mit dem Entermesser, um mit den so erhaltenen Verbänden die schlimmsten Schnitte zu versorgen. Man konnte auf niemanden verzichten, um Laurence zu den Ärzten zu bringen. Auch die übrigen Harpunen waren abgetrennt worden – endlich schwangen die Seile hin und her. Alle Mannschaftsmitglieder waren an ihren Geschützen beschäftigt. Mit gebleckten Zähnen und Gesichtern, die schwarz von Schweiß und Asche und voller Blut aus aufgesprungenen Lippen und Mündern waren, starrten sie wild durch das schwache, rote Glühen, bereit, Rache zu nehmen.
    Plötzlich senkte sich ein lautes Prasseln wie von Regen oder einem Hagelsturm über sie: kleine Bomben mit kurzen Zündern, die von den französischen Drachen abgeworfen wurden und die gut sichtbar wie Blitze durch die Bohlen des Decks schlugen. Einige rollten die Fallreeps hinab und explodierten auf dem Kanonendeck. Alles war erfüllt vom heißen Qualm des Blendpulvers und dem stechenden Schein des Feuerwerks, das in den Augen schmerzte. Dann drehten die Drachen in Richtung Fregatte ab, und es kam die Anweisung zu feuern, immer wieder zu feuern.
    Für einen langen Augenblick gab es nichts außer dem rücksichtslosen Zorn der donnernden Schiffskanonen. Es war unmöglich, in diesem Getöse und dem Durcheinander aus Rauch und Höllenfeuer im Innern, das allen Verstand verschluckte, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Laurence hatte in einer Feuerpause nach der Kanonenöffnung gegriffen und sich hinaufgezogen, um einen Blick
auf die Lage zu werfen. Die französische Fregatte hatte unter dem Beschuss abgedreht, ihr Fockmast war abgeknickt und trieb unter der Wasseroberfläche, und jede anrollende Welle ergoss sich ins Innere des Schiffes.
    Aber es gab keinen Jubel. Hinter der abziehenden Fregatte öffnete sich der Blick auf die ganze Breite des Kanals, und es war zu sehen, dass alle großen Schiffe der Blockade, wie sie selber bis gerade eben noch, in Kämpfe verwickelt und unter Angriff standen. Die Aboukir und die mächtige Sultan mit vierundsiebzig Kanonen waren nahe genug, um sie zu erkennen. Kabeltaue reichten zu einmal drei, einmal vier Drachen empor, und die französischen Schwer- und Mittelgewichte zogen mit aller Macht in verschiedene Richtungen. Die Schiffe feuerten gleichmäßig, aber ohne etwas ausrichten zu können, und es waren Rauchwolken zu sehen, die die Drachen über den Schiffen nicht einmal erreichten.
    Und zwischen ihnen befanden sich ein Dutzend französische Linienschiffe, die schließlich doch den sicheren Hafen verlassen und nun gleichmäßigen Kurs aufgenommen hatten. Sie eskortierten eine riesige Flottille: hundert Schiffe und mehr, Lastkähne und Fischerboote, ja sogar Flöße mit dreieckigen Segeln, allesamt mit dicht gedrängten Soldaten besetzt. Sie hatten den Wind im Rücken, und die Flut trug sie auf die Küste zu; stolz wehte die Trikolore an ihren Masten Richtung England.
    Die Marine war wie betäubt, und nur die Drachen des Korps

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