Drachenwacht: Roman (German Edition)
konnten ihr Vorrücken nun noch aufhalten. Aber die französischen Kriegsschiffe feuerten immer wieder in die Luft über die Flottille hinweg. Es sah aus wie Pfeffer, aber es kam in größeren Mengen, als man es sich bei diesem Gewürz hätte leisten können, und es brannte. Rotglühende Teilchen glommen wie Glühwürmchen vor den schwarzen Rauchwolken, die über den Schiffen hingen und sie vor Angriffen aus der Luft schützten. Eines der Transportboote war nahe genug, sodass Laurence erkennen konnte, dass die Männer ihre Gesichter mit nassen Taschentüchern und Lumpen bedeckt hatten
oder sich unter Decken aus Öltuch verbargen. Die britischen Drachen unternahmen verzweifelte Versuche hinabzustoßen, schreckten jedoch vor den Wolken zurück und mussten stattdessen ihre Bomben aus zu großer Höhe abwerfen. Zehn von diesen stürzten ins weite Meer für jede einzelne, die auch nur nahe genug hinunterging, um eine Welle gegen den Schiffsrumpf schlagen zu lassen. Auch die kleineren französischen Drachen machten ihnen zu schaffen, indem sie vor ihnen hin und her flogen und in schrillen Tönen kreischten. Es waren so viele von ihnen; Laurence hatte noch nie eine so große Anzahl von ihnen gleichzeitig gesehen. Sie wirbelten beinahe wie Vögel durcheinander, schlossen sich zusammen und verteilten sich wieder, sodass sie für die englischen Drachen in ihrer festen Formation kein leichtes Ziel boten.
Ein großer Königskupfer hätte Maximus sein können: Rot, orange und gelb hob er sich vom blauen Himmel ab, und er flog an der Spitze einer Formation mit zwei Reihen Gelber Schnitter auf beiden Flanken. Aber Laurence konnte Lily nicht sehen. Der Königskupfer brüllte, was selbst auf diese Distanz noch schwach zu hören war, und kämpfte sich mit seiner Formation durch ein Dutzend französischer Leichtgewichte, um sich einem großen französischen Kriegsschiff zu nähern. Flammen blühten auf dessen Segeln, als die Bomben schließlich doch noch ihr Ziel fanden. Aber als die Formation am Ende aufstieg und abdrehte, tropfte es blutrot vom Bauch eines Schnitters, und ein anderer hatte Schlagseite. Auch eine Handvoll britischer Fregatten versuchte mutig, an den französischen Schiffen vorbeizuschießen, um sich den Transportern zu nähern, jedoch ohne viel Erfolg. Sie standen unter schwerem Beschuss, und wenn sie auch ein Dutzend Boote versenkten, wurde die Hälfte der Männer von anderen wieder an Bord gezogen, so nahe beieinander befanden sich die kleinen Transporter.
»Alle Mann an die Geschütze«, rief der Leutnant scharf. Die Goliath drehte sich, um den Transportern nachzujagen. Sie würde zwischen der Majestueux und der Héros passieren müssen, eine Breitseite
von beinahe drei Tonnen zwischen ihnen. Laurence spürte es, als ihre Segel den Wind wieder richtig einfingen: Das Schiff schoss voran wie ein eifriges Rennpferd, das zu lange gezügelt worden war. Alle Segel waren gesetzt worden. Er berührte sein Bein. Das Blut hatte aufgehört zu fließen, dachte er und humpelte zurück zu einem unbesetzten Platz an einer Kanone.
Draußen kämpften sich die ersten Transporter bereits auf das Ufer zu; leichtgewichtige Drachen kreisten über ihnen, um sie abzuschirmen, während die Männer ihre Artillerie aufbauten, und ein Soldat stieß die Standarte in den Boden. Auf der Spitze thronte der Adler und fing das Sonnenlicht ein, sodass er wie eine Flamme funkelte. Napoleon war also am Ende doch noch in England gelandet.
2
Nachdem die Anfrage erst einmal losgeschickt worden war, fand Temeraire die Aussicht darauf, dass es eine Antwort gab, die ihn schon bald erreichen würde, beinahe noch schlimmer als die Ungewissheit. Zuvor war nicht sicher, ob Laurence noch in dieser Welt weilte oder nicht: Er konnte ebenso gut noch am Leben sein, wie das Gegenteil möglich war, und solange Temeraire nichts Gegenteiliges wirklich wusste, war Laurence wenigstens in seinen Gedanken noch lebendig. Auf viel mehr war nicht zu hoffen. Die besten Neuigkeiten, die es geben könnte, wären wohl, dass man ihn noch immer eingekerkert hielt. Während sich der Tag dahinschleppte, hatte Temeraire immer stärker das Gefühl, dass Gewissheit eine schwache Belohnung für das Risiko war, eine entsetzliche, gegenteilige Antwort zu erhalten. Temeraire konnte es kaum ertragen, sich diese Möglichkeit auch nur vorzustellen. Wenn er es doch versuchte, verschluckte ihn eine nicht enden wollende Leere, ein allgegenwärtiger Nebel, der ihn wie ein grauer Himmel voller
Weitere Kostenlose Bücher