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Drachenwacht: Roman (German Edition)

Drachenwacht: Roman (German Edition)

Titel: Drachenwacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Naomi Novik
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das Schiff zu befreien. Aber die Harpunen waren vom Haken aus sechzig Zentimeter lang, und die Seile hingen genügend durch, sodass die Versuche, sie zu durchtrennen, fruchtlos blieben. Jemand würde durch ein Kanonenloch hinausklettern müssen, um nach ihnen zu hacken. Doch derjenige würde gut zu sehen sein und schutzlos am Schiffsrumpf hängen, während die Fregatte einen neuerlichen Angriff startete.
    Zunächst setzte sich niemand in Bewegung. Dann griff sich Laurence ein kurzes, geschärftes Entermesser aus dem Haufen. Der Leutnant blickte ihm ins Gesicht und erkannte ihn, sagte jedoch nichts. Laurence drehte sich zum Kanonenloch, schob die Schultern hindurch und zog sich heraus. Schnell eilten Matrosen zu ihm und stützten seine Füße; der Leutnant rief noch einmal etwas. Ein kurzes Seil wurde vom darüberliegenden Deck hinuntergelassen, sodass Laurence am Rumpf Halt finden konnte. Ängstlich beugten sich Köpfe zu ihm hinab, aber es waren alles Fremde. Dann schob sich ein weiterer Mann über die Reling und schließlich noch einer, um sich um die anderen Harpunen zu kümmern.
    Mit wütendem Eifer begann Laurence, das Tau zu bearbeiten, und nach und nach gaben die einzelnen Stränge nach: Das Seil war durch ein Drahtkabel verstärkt; drei Trossen aus je drei Strängen, gut gedreht
und dick wie ein Männerhandgelenk, mit Segeltuch überzogen. Währenddessen hob sich Laurence für die Waffen der Fregatte als ein leuchtendes Ziel von der Farbe des Schiffsrumpfes ab. Immerhin würde seiner Familie die Schande seines Todes am Strang erspart bleiben, wenn er jetzt fiele. Er war nur deshalb noch am Leben, um Temeraire damit gleichsam anzuketten. Sobald die Admiralität entscheiden würde, dass der Drache vom Alter und aus Gewohnheit friedlich genug gestimmt war, wäre Laurence überflüssig, und das Todesurteil würde vollstreckt werden. Und bis dahin könnten noch Jahre vergehen – lange Jahre, in denen er in einem Gefängnis oder in den Tiefen eines Schiffes vermodern würde.
    Weder war es ein vorsätzlicher Gedanke, noch handelte Laurence aus einem Schuldgefühl heraus; diese Überlegungen schossen ihm unwillkürlich durch den Kopf, während er sich abmühte. Er hatte dem Meer den Rücken zugekehrt und konnte weder die Fregatte noch die größere Schlacht dahinter sehen. Sein Gesichtsfeld war ausgefüllt von der abblätternden Farbe an der Seite der Goliath. Der Glanz des Lackes war durch Splitter und Salz verloren gegangen. Die eisige See schwappte am Rumpf empor und sprühte über Laurence’ Rücken. In der Ferne war das Dröhnen des Kanonenfeuers zu hören, aber die Waffen der Goliath waren verstummt. Sie sparte sich ihr Pulver und die Geschosse für die Gelegenheiten auf, wenn sie auch wirklich von Nutzen sein würden. Das lauteste Geräusch in Laurence’ Ohren war das angestrengte Stöhnen der Männer, die in seiner Nähe hingen und nach ihren eigenen Harpunenseilen hackten. Dann stieß einer von ihnen einen überraschten Schrei aus und ließ sein Tau los, sodass er in die schäumende See stürzte: Ein kleiner, pfeilschneller Kurierdrache, ein Chasseur-Vocifère, näherte sich der Schiffseite mit einer weiteren Harpune.
    Das Tier hielt diese wie ein Ritter in einem mittelalterlichen Turnier. Das dicke Ende steckte wacklig in einem Gefäß, das am Geschirr befestigt war, um zusätzlich zu stützen, und zwei Männer auf dem Rücken umklammerten die behelfsmäßige Vorrichtung. Mit
einem dumpfen Geräusch prallte die Harpune an die Seitenwand des Schiffes, ganz in der Nähe der Stelle, an der Laurence hing. Der Schwanz des Drachen spritzte ihm Salzwasser ins Gesicht, das ihm in der Nase brannte und seine Kehle hinunterrann, während er versuchte, es wieder emporzuwürgen. Der Drache drehte ab und entkam der wütenden Salve der Marinesoldaten. Die Harpune zog er an deren Seil hinter sich her: Die Widerhaken hatten sich nicht tief genug eingegraben. Der Schiffsrumpf war übersät mit Narben von früheren Versuchen – für jede versenkte Harpune verunzierten ein gutes Dutzend Scharten den in den Putzstunden auf Hochglanz gewienerten Schiffslack.
    Laurence wischte sich mit einem Arm das Salzwasser aus seinem Gesicht und schrie den Seemann, der noch neben ihm hing, an: »Weitermachen, Mann, verdammt noch mal.« Endlich war der erste Strang seines eigenen Kabels durchtrennt; sein Entermesser war ausgefranst und sah wie ein Besen aus. Doch Laurence nahm sich sofort den zweiten Strang vor, auch wenn die Klinge

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