Drachenwege
fort!«
»Er ist ins Dazwischen gegangen«, berichtigte Kindan. »Komm und hilf mir, ihm ein neues Lager aus Stroh aufzuschütten. Neben der Tür sind die Strohballen gestapelt.«
»Ins Dazwischen? So wie die Drachen, meinst du?«
Zenor suchte mit Blicken den See ab, wo der Wachwher gleich auftauchen musste.
Kindan sah seinen Freund nachdenklich an und zuckte die Achseln. »Ich glaube schon, dass es dasselbe ist. Allerdings war ich noch nie dabei, wenn ein Drache ins Dazwischen eintrat. Es heißt, ihre Reiter sagen ihnen, wohin sie sich begeben sollen - aber Dask macht alles von sich aus. Die hellen Feuer auf dem Platz stören ihn, deshalb wählt er den schnellsten Weg, um an den See zu gelangen.«
Er gab sich einen Ruck. »Und nun beeil dich«, drängte er Zenor. »Hol das Stroh und geh mir zur Hand. Dask wird bald wieder hier sein, und dann fängt die richtige Arbeit erst an.«
Kindan wusste, wovon er sprach. Kaum hatten sie das frische Stroh gleichmäßig zu einer behaglichen La-gerstatt aufgeschichtet, da kündete ein weiterer eisiger Luftzug Dasks Rückkehr an. Die braune Haut des Tieres glänzte vor Feuchtigkeit, und große Wassertropfen perlten von dem wuchtigen Körper ab. Zufriedene Laute von sich gebend, schüttelte sich der Wachwher, Wasser in kleinen Fontänen verspritzend.
»Nein!«, schrie Kindan. »Du sollst dich doch nicht schütteln! Zuerst müssen wir dich von dem ganzen Dreck befreien.«
Kindan schnappte sich eine Bürste mit einem langen Stiel und ein Stück harter Seife. Zenor befahl er, sich einen Eimer mit Scheuersand zu holen. Gemeinsam schrubbten sie den Wachwher Zentimeter für Zentimeter ab, von der Schnauze bis zur Schwanzspitze. Beide Jungen waren verschwitzt und ihre Kleidung durch-nässt, als der Wachwher endlich sauber gewaschen und getrocknet war.
»So, das hätten wir, Dask«, freute sich Kindan. »Jetzt bist du wieder blitzblank und wunderschön. Aber bis zu der Hochzeitsfeier morgen darfst du dich nicht im Schmutz wälzen.«
Selbst bei der spärlichen Beleuchtung konnte Kindan sehen, dass in Dasks Facettenaugen grüne und blaue Farbschlieren kreisten, ein Zeichen dafür, dass er sich wohlfühlte.
»Puh!« Erschöpft blies Zenor den Atem aus und sackte neben der Tür zu Boden. »Einen Wachwher zu baden ist Schwerstarbeit! Ich wüsste gern, wie es ist, einen Drachen zu pflegen.«
»Noch viel anstrengender«, erwiderte Kindan. Auf Zenors fragenden Blick hin erläuterte er: »Nun ja, Dra-
chen sind ja viel größer, nicht wahr? Ihre Haut schält sich leicht und muss deshalb regelmäßig eingeölt werden.«
Kindan erhob sich aus seiner knienden Position, umarmte Dask und tätschelte seinen Hals. »Dask hat es da wesentlich einfacher. Er ist robust.«
»Und ich bin müde«, meuterte Zenor. »Stell dir vor, du hättest ihn ganz allein baden müssen.«
»Es wäre rascher gegangen, wenn dein Freund uns geholfen hätte«, erwiderte Kindan.
Zenor sprang auf die Füße. »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst. Außer uns ist hier niemand.«
»Was ist los? Ist irgendwer bei dir, Kindan?«, brüllte jemand von draußen in den Stall. Es war Kaylek.
»Wenn du einem Fremden erlaubt hast, Dask anzufas-sen, wird Dad dir das Fell über die Ohren ziehen!«
Zenor duckte sich in eine düstere Ecke, während Kaylek eintrat und sich argwöhnisch umschaute.
»Was faselst du da, Kaylek?« Kindan mimte den Beleidigten. »Siehst du nicht, dass ich ganz allein hier bin? Noch einen Moment, dann bin ich mit der Arbeit fertig.«
»Du hast nur halb so lange gebraucht, wie ich erwartet hatte«, nörgelte Kaylek und spähte in die schattigen Winkel des Stalls. Kindan, dessen Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah, dass Zenor die Arbeits-utensilien, die er gebraucht hatte, behutsam aus dem Blickfeld räumte.
»Ich bin halt fleißig«, gab Kindan zurück.
»Seit wann?«, versetzte Kaylek. »Ich bin mir sicher, dass jemand dir geholfen hat. Dad wird dir das Fell gerben - du weißt doch, wie sehr er sich aufregt, wenn fremde Leute seinen Wachwher erschrecken. In diesem Punkt versteht er keinen Spaß.« Kindan fragte sich, warum Kaylek niemals Dasks Namen aussprach.
»Wer immer dir zur Hand gegangen ist, muss noch ganz in der Nähe sein«, fuhr Kaylek misstrauisch fort, während seine Blicke in dem düsteren Stall hin und her huschten. »Ich finde ihn und dann ...«
Er brach ab, als draußen ein lautes Gepolter ertönte; es klang, als würde eine kleine Gesteinslawine
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