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Drachenwege

Drachenwege

Titel: Drachenwege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne McCaffrey , Todd McCaffrey
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Getreideflocken löffelte. Dabei strahlten ihre Augen in einem ungewöhnlichen Glanz.

    Im ersten Moment war Kindan verwirrt, doch dann fiel es ihm wieder ein - es gab eine Hochzeit. Sis, seine große Schwester, heiratete.
    »Und nun lauf, für dich gibt es eine Menge zu tun«, scheuchte sie ihn liebevoll nach draußen, als er aufgegessen hatte.

    * * *
    Vor der Tür blieb Kindan unschlüssig stehen. Normalerweise teilte Sis ihm seine Arbeit zu, doch dieses Mal hatte sie ihm nichts aufgetragen. Er wollte schon wieder ins Haus gehen, doch sie rauschte an ihm vorbei nach draußen, offenbar hatte sie es selbst sehr eilig.
    »Geh und frag Jenella, was du tun sollst«, rief sie ihm in reizbarer Stimmung zu, noch ehe er den Mund auf-klappen konnte.
    Jenella war Natalons Gemahlin. Da sie hochschwan-ger war, hatte Sis ihr oft im Haushalt geholfen. Kindan fürchtete das aufbrausende Temperament seiner Schwester, deshalb machte er sich sofort auf den Weg.
    Er rannte los, und in seinem Übereifer merkte er erst, dass er viel zu weit gelaufen war, als er den Eingang zum Bergwerk erreichte. Doch anstatt unverzüglich umzukehren, hielt er erst einmal inne und fasste den Einstiegsschacht neugierig ins Auge.
    Den jugendlichen Hilfskräften im Camp oblag es, jeden Morgen die Glühkörbe im Pütt* auszuwechseln.
    An diesem Tag war die Zeche wegen der Hochzeit geschlossen, lediglich die Pumpen mussten bedient werden, deshalb fragte sich Kindan, ob man heute darauf

    * Pütt, lat. »puteus« = Brunnen oder Grube, ein Ausdruck, der sich bis heute als Synonym für »Bergwerk« erhalten hat. Aus: »Die schönsten Bergbausagen aus dem Ruhrgebiet«, von Wolfgang Schulze. - Anm. d. Übers.

    verzichtete, das Geleucht* zu erneuern. Obwohl an diesem Tag niemand in die Grube einfahren würde, fand Kindan, es sei sinnvoll, die Körbe auszutauschen, damit die Kumpel anderentags nicht in den stockfinsteren Stollen hinein mussten.
    Aus dem Stollen drangen Stimmen nach draußen.
    Einzelne Worte konnte Kindan nicht verstehen, aber er hörte, dass sich ein Mann und ein Mädchen miteinander unterhielten.
    »Hallo! Wer da!«, rief er in die Grube hinein. Er dachte, es könnte sich um Mitglieder der Handelskarawane handeln, die sich das Bergwerk ansehen wollten.
    Das Gespräch verstummte. Eine Hand an ein Ohr gelegt, lauschte Kindan angestrengt auf jedes Geräusch.
    Spätnachts, wenn die Kochfeuer im Camp bis auf die Glut heruntergebrannt waren und der eisige Wind von den Bergen ungehindert über den freien Platz fegte, erzählten sich die älteren Jungen alle möglichen Gruselge-schichten, die davon handelten, dass es in den Schächten und Stollen der Mine spukte. Kindan glaubte zwar nicht, dass er soeben die Stimmen von Gespenstern ver-nommen hatte, doch er war keineswegs erpicht darauf, sich ganz allein in den dunklen Pütt hinein zu wagen.
    »Hallo? Ist da jemand?«, rief er abermals nach kurzem Zögern. Ihm war nicht daran gelegen, irgendwelche Berggeister - sollten sich derlei Wesen in der Grube herumtreiben - auf sich aufmerksam zu machen.
    Keine Antwort. Plötzlich vernahm Kindan das gemächliche Poltern von Stiefeln, die sich dem Grubenausgang näherten. Vorsichtshalber zog er sich ein Stück zurück. Im düsteren Viereck des Eingangs erschien ein

    * Unter »Geleucht« versteht man eine Lampe oder Beleuchtung unter Tage - Anm. d. Übers.

    noch dunklerer Schatten, der rasch menschliche Gestalt annahm.
    Es war ein alter Mann mit silbergrauem Haar, den Kindan noch nie zuvor gesehen hatte. Er war mager, regelrecht ausgezehrt, und die Augen blickten stumpf, als hätten sie zuviel Traurigkeit gesehen. Der Mann wirkte, als sei jede Lebensfreude aus ihm gewichen.
    Kindan trat noch einen Schritt zurück und rüstete sich zum Weglaufen. Was war aus dem Mädchen geworden, mit dem sich der Kerl unterhalten hatte? Die Stimme hatte sehr jung geklungen, wie die eines Kindes. Hatte diese Erscheinung es gefressen?
    »Heh, du da!«, rief der Mann in Kindans Richtung.
    Sowie Kindan den melodischen Bass vernahm, wusste er, dass er kein Gespenst vor sich hatte. Der Mann sprach eindeutig mit dem Akzent von Burg Fort, und der kultivierte Tonfall zeugte von einer Ausbildung in der Harfnerhalle.
    »Was ist, Meister?«, antwortete Kindan. Da er keine Ahnung hatte, welchen Status der Mann bekleidete, hielt er es für das Beste, auf Nummer Sicher zu gehen und ihm den gebührenden Respekt zu zollen. War er vielleicht der Harfner, den der Meisterharfner von Crom geschickt

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