Drachenzauber
macht!«
Der Drache unterbrach die Asseljagd und wedelte mit dem Schwanz.
»Verschwinden?«, fragte er fröhlich. »Wohin verschwinden? Verschwinden wir irgendwohin? Kann ich mitkommen? Was für ein Spaß! Heißa!«
Max seufzte. Adolphus war nicht der Hellste. Aber er und Grimm hatten schon so manches mit dem Hausdrachen erlebt. Adolphus hatte ihnen geholfen, als Max erst den Froschzauber entdeckt und dann ausVersehen sich, Olivia und Grimm in Frösche verwandelt hatte. Er hatte ihnen auch geholfen, aus Camelot zu fliehen, als sie dort von Max’ ärgstem Feind, Adrian Hogsbottom, gefangen gehalten wurden. Und schließlich hatte er ihnen geholfen, König Artus’ durchtriebene Halbschwester Morgana le Fay zu besiegen, die selbst den Königsthron besteigen wollte. Max konnte unmöglich zulassen, dass Lady Griselda Adolphus verbannte. Wie es aussah, musste er also mit einem verbeulten Kessel zur Sommerschule reisen.
»In Ordnung«, sagte er. »Ich werde Mama nichts verraten. Aber wir sollten schleunigst die Sauerei hier wegmachen und die Falltür reparieren.«
»Schlechte Entscheidung, Max! Du wirst dich noch an meine Worte erinnern«, ließ sich Grimm mit Grabesstimme aus den Tiefen der Tunika vernehmen.
Doch die Ratte sollte unrecht behalten. Max’ Entscheidung, den verbeulten Zauberkessel mitzunehmen, war es, was ihm wenig später das Leben rettete.
Das – und Olivias unablässiges Bemühen, ein echter Ritter zu werden.
Olivia hatte Glück. An diesem Morgen war Sir Bertram Pendragon milder gestimmt als sonst. Am Tag zuvorhatte er viel Spaß beim Jagen gehabt. Zwar hatte er wie immer nichts erlegt, aber beim anschließenden feierlichen Wetttrinken war er der letzte Ritter gewesen, der noch hatte stehen können. Und das bereitete ihm stets gute Laune. Ein kurzer morgendlicher Blick in den Spiegel hatte ihm außerdem offenbart, dass sein Schnurrbart mittlerweile zweifellos der prächtigste von Burg Periculum war. Möglicherweise war er sogar länger als der von Sir Lionel von Leogrance, der derzeit den Rekord im Königreich hielt. Aber am besten von allem war, dass sein Lieblingspferd Daisy – munter wie ein Fisch im Wasser – über die Koppel tänzelte. Es hatte sich endlich von der tragischen Zerrung erholt, die es sich beim letzten Turnier zugezogen hatte.
Als Olivia ihn also wieder einmal anflehte, die Ausbildung zum Ritter machen zu dürfen, brüllte er nicht sofort: »Nur über meine Leiche!« Er stürmte auch nicht wie sonst aus der Burg. Stattdessen seufzte er bloß und ließ sich in den großen Sessel am Kamin plumpsen. Dann bedeutete er Olivia, sich neben ihn zu setzen.
»Olivia, mein Liebes«, sagte er. »Du bist meine Lieblingstochter ...«
»Ich bin deine einzige Tochter«, warf Olivia ein.
»Nun ja, in der Tat. Meine einzige Lieblingstochter,die ich von ganzem Herzen liebe. Aber ich fürchte, dass es einfach nicht geht. Mädchen sind keine Ritter. Sie können nicht kämpfen.«
»Ich kann besser kämpfen als Max.«
Wieder seufzte Sir Bertram. Es stimmte, als Knappe war sein Sohn Max eine kleine Enttäuschung. Und es stimmte auch, dass Olivia fast genauso groß, etwa genauso stark und viel wilder war als ihr zwei Jahreälterer Bruder. Sollte sie je ordentlich ausgebildet werden, dachte Sir Bertram, wäre sie für so manchen eine echte Gefahr. Aber das konnte er ihr unmöglich sagen, denn dann wäre sie gar nicht mehr aufzuhalten.
Er setzte also eine ernste Miene auf und sagte streng: »Du sollst eine Lady werden. Und Ladys kämpfen nicht. Sie schubsen auch niemanden in den Ententeich. Sie stehlen auch keine Pferde, um verkleidet das Knappen-Wettreiten zu gewinnen.« Was diesen speziellen Streich anging, gab er sich besonders viel Mühe, missbilligend zu klingen. Dennoch konnte er einen stolzen Unterton in seiner Stimme nicht unterdrücken. Olivia war wirklich eine talentierte Reiterin. Jammerschade, dass sie kein Junge war. Und doch. Die Regeln waren klar: Mädchen konnten keine Ritter werden.
»Aber Vater«, sagte Olivia mit ihrer schönsten Bettelstimme. »Du könntest der erste Ritter sein, der die Regeln bricht. Du könntest der Ritter mit dem längsten Schnurrbart sein. Der Ritter, der mit einem einzigen Schluck das meiste Bier trinken kann. Und der einzige Ritter, dessen Tochter ein Knappe ist.«
Sir Bertram sah sie nachdenklich an. Es stimmte – er brach gerne Regeln. Und es stimmte auch, dass es herrlich wäre, einen prächtigen Schnurrbart und eineTochter zu haben, die zum
Weitere Kostenlose Bücher