Drachenzauber
in Menogue gestanden und auf Estian hinabgeschaut.
Es schrumpft, und das geht schon lange so. Nicht nur Hurog ist heute weniger, als es einmal war, aber es geht von Hurog aus.«
»Ja«, flüsterte Oreg abermals.
»Und der Fluch, der auf der Familie liegt, bedeutet nicht nur, dass es keine Hurog-Magier mehr gibt. Ich erinnere mich an meine Mutter, als sie noch glücklich war, aber je länger sie in Hurog blieb, desto seltsamer wurde sie. Und dann ist da mein Vater.« Ich erinnerte mich, was der Oreg, von dem ich geträumt hatte, mir über Hurog gesagt hatte. »Hurog vergiftet die Menschen, die dort leben. Mein Großvater hatte acht legitime Kinder, von denen nur zwei ihre Kindheit überlebten: mein Vater und sein Bruder, die sehr jung als Pflegekinder weggeschickt wurden. Ciarra kann nicht sprechen, und Tosten wollte sich umbringen.« Die Anstrengung der Reise hatte sich auf meine Laune niedergeschlagen, und am liebsten hätte ich wegen der Folgen dieser uralten Dummheit auf etwas eingeschlagen.
»Und du hast die Fähigkeit verloren, Magie zu wirken.«
Ich machte eine Geste, und alle Öllampen im Raum flackerten hell auf.
Als ich ihn anstarrte, wurde mir klar, dass er sich aus Angst vor mir nicht bewegt hatte. Ich war aufgeregt gewesen und hatte getobt wie mein Vater, alles aus kaum einem anderen Grund als Anspannung und Erschöpfung. Ich holte tief Luft, schloss die Augen und streifte sorgfältig den Zorn ab, den ich Seleg gegenüber empfand, weil er nicht der Held gewesen war, für den ich ihn gehalten hatte, ferner den Zorn auf meinen Vater, meine Mutter und schließlich auf Hurog, dessen Magie meine Seele erfüllte, meiner Schwester die Stimme und meiner Mutter den Verstand genommen hatte, aber am meisten auf Oreg, der nicht an mich geglaubt hatte.
Zorn ist dumm, und Dummheit wird dich mit grö-
ßerer Sicherheit töten als die Klinge deines Gegners.
Die Stimme meiner Tante hallte in meinem Kopf wider, und so schob ich meinen Zorn mit Vernunft beiseite. Es war nicht Selegs Schuld, dass ich ihn mir als meinen Helden ausgesucht hatte. Es war nicht meine Schuld, dass mein Vater mich gehasst hatte und meine Mutter innerlich davongelaufen war. Als ich sicher war, den Zorn abgeschüttelt zu haben, schaute ich wieder Oreg an, den man viel öfter verraten hatte als mich.
»Ich kann nicht ändern, was Seleg getan hat«, sagte ich schließlich. »Es gibt nichts, was ich tun kann, um es wieder in Ordnung zu bringen.«
Oregs lila Augen waren immer noch groß vor Angst oder vor einem anderen Gefühl und beobachteten mich, um zu wissen, in welche Richtung er ausweichen sollte.
»Ich könnte dir befehlen, uns beide nach Hurog zu bringen, wenn wir nahe genug sind. Wir könnten meinem Onkel helfen, die Burg zu halten.«
»Duraugh kann Hurog nicht halten, Ward«, sagte Oreg. »Kariarn hat zu viele Soldaten. Selbst wenn die gesamte Blaue Garde dort wäre, könnte Hurog so vielen Männern nicht widerstehen. Nicht in dem Zustand, in dem es sich befindet. Es ist nicht bereit für eine Belagerung.«
Ich dachte noch einmal nach. »Könntest du die Knochen nach draußen bringen?«
Er schüttelte den Kopf. »Außerhalb des Schutzes der Höhle kann jeder Zauberer innerhalb von hundert Meilen sie finden, aber das ist ohnehin gleich. Seleg hat mich über meinen Tod hinaus verpflichtet, diese Knochen im Herzen von Hurog zu verbergen.«
»Siehst du irgendeine Möglichkeit, die verhindern würde, dass Kariarn sich die Knochen nimmt?«, fragte ich.
»Nein.« Er wandte den Kopf ab.
»Oreg.« Ich wartete. »Oreg.«
Schließlich sah er mich an.
Ich räusperte mich, um zu verbergen, wie wichtig mir seine Antwort war. »Glaubst du denn wirklich, ich würde meinen Onkel umbringen, um wieder Hurogmeten zu werden?«
Plötzlich geschah etwas mit seiner Miene, und dann sank er vor mir auf die Knie. »Ich glaube, du würdest niemals einen Drachen töten, um dich selbst zu retten. Ich glaube, dass du nie wissentlich Vertrauen verraten würdest, das in dich gesetzt wurde.«
Es waren machtvolle Worte, und ich hätte ihm gern geglaubt, aber ich hatte schon öfter mit Sklaven zu tun gehabt. Sie sagten ihren Herren, was sie glaubten, dass diese Herren es hören wollten, und dann versuchten sie, es selbst zu glauben.
Als er aufblickte, hatte er einen seltsamen Ausdruck im Gesicht, einen, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Ich brauchte einen Augenblick, um zu erkennen, dass es sich um Hoffnung handelte. »Du wirst Hurog nicht verraten«,
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