Drachenzauber
dem Feld mit dem Salzschaden. Zu dritt zermahlten wir die Knochen zu Mehl und ackerten sie unter, wie Duraugh es im Jahr zuvor mit Muschelschalen gemacht hatte. Axiel wirkte erleichtert, nachdem das letzte weiße Pulver unter die Erde gebracht war. Als das Feld bepflanzt wurde, gediehen die Pflanzen in der einstmals vergifteten Erde.
Eines Morgens im Hochsommer erwachte ich früh und wusste, dass sich etwas verändert hatte. Ich zog rasch meine Reitkleidung an und sattelte Blümchen selbst, um schneller auf die Bergpfade zu kommen.
Der Hengst spürte, dass ich es eilig hatte, und rannte, als wären ihm die Dämonen von Menogue auf den Fersen. Er verlangsamte sein Tempo erst, als der Weg so steil wurde, dass ich absteigen und neben ihm hergehen musste. Als er abrupt erstarrte, die Augen rollte und mit plötzlicher Dringlichkeit witterte, blieb ich neben ihm stehen.
»Was ist denn?«, fragte ich. Es brauchte einiges, um einem Tier Angst zu machen, das so oft im Kampf gestanden hatte wie Blümchen.
Der Hengst schnaubte bei Klang meiner Stimme und drehte sich, um den verschwitzten Kopf an mir zu reiben, wodurch er mich einen Schritt zur Seite schob. Was immer ihn beunruhigt hatte, war verschwunden.
Ich konnte nun auch etwas riechen. Es erinnerte mich an eine Schmiede: Hitze und Metall. Deshalb war ich nicht so überrascht, wie ich hätte sein sollen, als wir über die letzte Anhöhe kamen und die Bronzetore offen vor uns lagen.
Axiel hatte sie sich auf meine Bitte hin angesehen und erklärt, er glaube nicht, dass sie sich öffnen lie-
ßen. Er wusste ebenso wenig über ihren Zweck wie ich. Und Oreg war nicht mehr da gewesen, um ihn zu fragen.
Nun standen die Tore offen, aber man sah ihnen an, wie schwierig das Öffnen gewesen war. Das Metall war an der Unterseite geschwärzt wie von einem schrecklichen Feuer. Der linke Torflügel lag ein paar Schritte entfernt, der rechte war verzogen und verbo-gen. Als ich den Flügel berührte, der mir am nächsten war, fühlte er sich noch warm an. Ich zog daran, aber ich konnte ihn keinen Zoll weit bewegen.
Ich ließ Blümchens Zügel sinken und näherte mich vorsichtig dem Loch im Berg, das die Tore verschlossen hatten. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber ein leeres Loch war irgendwie enttäuschend. Es war nur ein rechteckiger Raum, kaum tiefer, als ich hoch war. Wenn ich einen Heuwagen hin-eingelenkt hätte, wäre kein Platz mehr für das Gespann gewesen. Das einzig Seltsame war die Gerad-heit der Wände und Ecken, wenn man bedachte, dass alles aus gestampfter Erde bestand. Hinter mir wieherte Blümchen einen Gruß. Ich drehte mich um und nahm an, dass Tosten mir gefolgt war, denn Blümchen hieß Fremde nicht auf diese Weise willkommen.
Aber Oreg war auch kaum ein Fremder.
»Hallo, Ward«, sagte er mit verlegenem Schulterzucken.
Ich schluckte. »Ich hoffe, das bedeutet nicht, dass ich dich noch einmal umbringen muss«, sagte ich.
Er konzentrierte sich auf die Ruinen von Hurog und tätschelte zerstreut Blümchens Stirn. »Ich wusste, dass du schwierig sein würdest.«
Er sah mir ins Gesicht, dann wandte er den Blick schnell wieder der Burg zu. »Ihr habt gute Arbeit geleistet. Was hast du mit den Drachenknochen gemacht?«
»Sie in das Feld gesät, auf das die Salzlawine niedergegangen war.«
Er lächelte. »Also brauche ich sie nicht zu essen?«
»Ich dachte, das wäre eine schlechte Sache«, erwiderte ich. Es gab noch etwas, was jemand über das Essen von Drachenknochen gesagt hatte, aber ich konnte mich nicht erinnern, was es gewesen war.
Oreg bückte sich und griff nach einem Stein. Er machte zwei Schritte und warf ihn. Wir sahen beide zu, wie der Stein den Berg hinunterhüpfte, bis er unter ein Brombeergebüsch rollte. »Nicht, wenn man ein Drache ist«, sagte er. Als er mein Gesicht sah, fügte er beinahe hektisch hinzu: »Ich wusste nicht, dass ich nicht sterben würde. Das musst du mir glauben. Ich hätte dir nicht auf diese Weise wehgetan, wenn ich es hätte vermeiden können. Drachen werden sehr alt, aber man kann sie töten, und ich bin nur ein Viertelblut. Ich dachte, sein Zauber hätte meine Seele auf eine Weise an den Stein gebunden, die meinen Tod verlangte.«
Meine Zunge war träge. Ich konnte keine der Fragen stellen, die mir durch den Kopf wirbelten. Was ich herausbrachte, war: »Die Kaiser der alten Zeiten, heißt es, hatten einen Drachen, der ihnen diente.«
Das hatte Kariarn mir erzählt.
»Mein Vater«, bestätigte Oreg.
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