Drachenzauber
zu sein, befreiend und erregend. Als Erdrick die Augen wieder öffnete, sah er im Spiegel seinen Bruder. Er zupfte den Halsausschnitt der Tunika gerade und schlenderte in den Flur.
Trotz all seiner Proteste gegenüber Beckram fühlte Erdrick sich recht wohl in der Haut seines Bruders.
Am überfüllten Hof tändelte er, bezauberte die Damen und tauschte geistreiche Bemerkungen mit den Männern aus. Aber er konnte sich nicht überwinden, in die Nähe der Königin zu gehen. Sollte sein Bruder sich doch hinterher mit ihr versöhnen, wenn sie sich daran störte.
Beim Abendessen ließ sich Alizon, der Halbbruder des Königs, auf dem leeren Platz neben ihm nieder.
»Euer Vater wurde also an Stelle seines Bruders zum Hurogmeten ernannt«, sagte er in gelangweiltem Tonfall.
»Wirklich unangenehm«, sagte Erdrick in Beckrams träger Stimme. »Armer Vater. Hurog ist im Winter kalt und im Sommer feucht. Die Hälfte der Bauern sind Freie - Leibeigene sind so viel einfacher.
Die meiste Zeit über kann der Hurogmeten kaum seine Leute ernähren, den Rest der Zeit haben sie nichts zu beißen.«
»Aber es ist ein sehr alter Titel.«
»Das und ein halbes Kupferstück werden Euch einen Laib Brot verschaffen. Und das Schlimmste dabei ist« - Erdrick gelang genau der richtige, entnervte Ton -, »dass mein kleiner Bruder bei diesem Handel am besten abschneidet. Iftahar ist erheblich wohlhabender und wärmer als Hurog.«
»Ihr habt den König also nicht gebeten, Hurog Eurem Vater zu geben?«, fragte Alizon und blickte auf.
»Komme ich Euch so dumm vor?«, erwiderte Erdrick empört. »Warum sollte ich so etwas tun? Ich will Hurog nicht.«
Nachdem Alizon gegangen war, wischte sich Erdrick den Schweiß vom Nacken. Der Halbbruder des Königs machte ihn nervös. Das hier war wirklich das letzte Mal, dass er Beckrams Stelle eingenommen hatte.
Er trank den Wein aus und ließ sich von einem vorbeikommenden Diener einen neuen Becher geben. Als er schließlich aufstand, um sich auf sein Zimmer zurückzuziehen, konnte er die Wirkung des Alkohols deutlich spüren. Also entschied er sich, den längeren Weg durch den Garten zu nehmen. Die kühle Nachtluft würde ihm helfen, sein Gleichgewichts-gefühl zurückzugewinnen.
Wenn man von der Bibliothek einmal absah, war der Garten sein Lieblingsplatz in der Burg. Das Geräusch des fließenden Wassers von den Brunnen und künstlichen Bächen erinnerte ihn an zu Hause. Er schnupperte an einer Blüte, die sich geisterhaft weiß in der Dunkelheit abzeichnete. Es enttäuschte ihn festzustellen, dass sie überhaupt keinen Duft hatte.
Als jemand ihn an der Schulter packte, dachte er immer noch an Blumen.
Beckram, der in der Schänke des Schwarzen Ciernack saß, musste husten und trank einen großen Schluck gegen den plötzlichen Schmerz in seiner Kehle. Des beunruhigte ihn einen Augenblick, aber als der Schmerz schnell wieder verschwand, kam er zu dem Schluss, dass es ein Muskelkrampf gewesen sein musste. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Tänzerin zu, die dabei war, ihr Schwert auf eine Weise einzustecken, die kein Mann ihr je nach-machen konnte.
Jakoven wich rasch vor dem spritzenden Blut zurück und wartete, bis der Mann am Boden aufhörte zu zucken. Er leckte einen Tropfen der dunklen Flüssig-keit, die von seinem Messer tropfte, dann warf er die Waffe auf den Boden neben dem Jungen. Das Messer war keins, das jemand wiedererkennen würde, aber das zählte nicht. Jeder würde wissen, wer es getan hatte.
»Keine Geliebten mehr für meine Königin«, sagte er laut. Er schubste die Leiche mit dem Fuß, aber der Junge bewegte sich nicht mehr. Der Hochkönig starrte in das blasse Gesicht. »Nicht einmal ein dummer Junge aus Shavig war sicher. Also, Beckram, was denkt Ihr? Sollte sie Selbstmord begehen, wenn sie von Eurem Tod erfährt? Oder sollte sie sich entscheiden, sich auf einen meiner Landsitze zurückzuziehen? Ihr seid keine große Hilfe, wie? Schon gut, ich werde es morgen entscheiden.«
Im Schatten ballte Alizon, der nur einen Augenblick zu spät eingetroffen war, die Fäuste und dachte: Zu viele Leichen, Jakoven.
Beckram pfiff vergnügt vor sich hin, als er die Kleidung wechselte. Die Schwerttänzerin war so gut gewesen, wie die Gerüchte sagten, und noch besser. Er wäre gern länger geblieben, aber nagende Sorge um seinen Bruder hatte ihn früh nach Hause zurückkehren lassen. Vielleicht waren es nur Schuldgefühle, weil er Erdrick wieder einmal gebeten hatte, ihn zu
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