Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dracula, my love

Dracula, my love

Titel: Dracula, my love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
Vom Netzwerk:
leiden. Ich ziehe die Menschen vor, die ordentlich Blut in den Adern haben. Bei Ihnen scheint alles Blut herausgeflossen zu sein.“
    Ich spürte, wie mir ob dieser treffenden Bemerkung die Hitze in die Wangen stieg. Dieses Erröten war hoffentlich stark genug, um all die fehlende Farbe in mein Gesicht zurückzuzaubern. „Ich bin heute ein wenig müde, sonst nichts“, antwortete ich rasch.
    „Nun, jetzt sehen Sie ja schon wieder besser aus, aber irgendetwas ist an Ihnen heute Nachmittag verändert. Ich wünschte, ich könnte es genau sagen.“ Er schüttelte den Kopf und fügte dann feierlich hinzu: „›Kein Wissen gibt's, der Seele Bildung im Gesicht zu lesen.‹“*
    „Macbeth“, sagte ich.
*) Macbeth, 1. Akt, 4. Szene, aus: William Shakespeare, Sämtliche Werke, Band 4, S. 615, Hrsg. Anselm Schlösser, Aufbau-Verlag, Berlin und Weimar 1994.
    „Das ist mein Lieblingsschauspiel.“ Er starrte mich mit einem kleinen schlauen Lächeln an und zitierte dann weiter: „›Verbirg dich, Sternenlicht! Schau' meine schwarzen, tiefen Wünsche nicht!‹“
    Ich errötete erneut. Zitierte Herr Renfield nur eine beliebige Zeile aus dem Stück? Sprach er über seine eigenen schwarzen Wünsche? Oder ... spürte er irgendwie mein dunkles Geheimnis? „Macbeth war ein überaus ehrgeiziger Mann.“
    „Er war ein Held“, erwiderte ich.
    „Da bin ich nicht Ihrer Meinung. Ich finde, dass er ein unrettbarer Mörder und Schurke höchsten Grades war.“
    „Nun, da irren Sie sich.“ Wir diskutierten noch eine Weile über Shakespeare, und Herr Renfield zeigte sich in diesem Gespräch als höchst intelligenter, belesener und so völlig normaler Mensch, dass es mir schwerfiel, zu glauben, dass er ein Irrer war, der hier in einer Zelle eingesperrt lebte.
    Schließlich teilte ich ihm mit, dass ich nun gehen müsste. „Es war schön, Sie zu sehen, Herr Renfield.“
    Er seufzte, nahm dann sanft meine Hand, führte sie an die Lippen und küsste sie. „Gott segne Sie, Madam, dass Sie gekommen sind. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Nachmittag und Abend. Ich wünsche Ihnen nur das Allerbeste.“
    „Danke, Herr Renfield.“ Ich wandte mich zum Gehen, doch er hielt meine Hand fest umklammert und fügte hinzu: „Noch eines, Frau Harker. Ich frage mich: Tragen Sie unter Ihrem Nachthemd, wenn Sie schlafen, Ihr Korsett, oder sind Sie darunter ganz nackt?“
    Ich riss meine Hand weg und rang nach Luft vor Entsetzen und Beschämung über diese unverschämte Frage. Er lachte laut los, und in seinen Augen war ein triumphierendes Funkeln, als er rief: „Da! Das gefällt mir! Jetzt sehe ich endlich wirklich Farbe auf diesen Wangen!“
    „Das reicht, Renfield!“, schrie der Wärter, während er mich eilig zur Tür geleitete.
    „›Blick' harmlos wie die Blume, doch sei die Schlange drunter!‹“, hörte ich Herrn Renfield zitieren, als der Wärter die Tür hinter uns zuschlug und abschloss.
    Ich kehrte in mein Zimmer zurück. Diese seltsame Begegnung hatte mich außerordentlich verstört. Mir war nach dem Besuch bei Herrn Renfield sehr unbehaglich zumute. Doch trotzdem tat mir der Mann einfach leid. Schließlich war es nicht seine Schuld, dass er verrückt war. Was für ein schreckliches Schicksal musste es sein, sein Leben lang in einer solchen Einrichtung eingesperrt zu sein!
    Jonathan und die anderen waren bis zum Abendessen außer Haus. Sie kehrten ungeheuer müde heim. Ich tat mein Möglichstes, um sie aufzuheitern. Dabei war ich ständig in Sorge, dass sie genau wie Herr Renfield Verdacht schöpfen, irgendeine Veränderung an mir feststellen würden. Doch sie waren viel zu sehr mit ihren eigenen geheimen Angelegenheiten beschäftigt, als dass sie mir viel Aufmerksamkeit geschenkt hätten. Jonathan erwähnte, ich sei gestern Nacht wohl in meinen Kleidern auf dem Bett eingeschlafen, schien sich aber nicht sonderlich darüber zu wundern.
    Das Abendessen war wiederum eine unbehagliche und ziemlich schweigsame Angelegenheit, wobei die Männer jedes Gespräch über ihre Aktivitäten während des Tages vermieden. Mir war durch den Kopf gegangen, dass ich Dracula warnen könnte, wenn ich etwas über ihre Pläne in Erfahrung brächte. Also sagte ich: „Ich weiß, dass Sie mich vor allem schützen wollen, das mit dem Grafen zu tun hat. Aber ich bin um Ihretwegen außerordentlich besorgt. Es würde mich sehr beruhigen, wenn Sie mir zumindest erklären könnten, ob Sie planen, heute Nacht auszugehen.“
    Jonathan warf Dr. van Helsing einen

Weitere Kostenlose Bücher