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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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sie sagen oder schreiben, so rein ist, dass es jederzeit auch von den Engeln gelesen werden könnte. Und wir Männer der Wissenschaft haben etwas von der Fähigkeit der Engelsaugen, um dies zu erkennen. Ihr Gatte ist ein vornehmer Charakter, und auch Sie sind edel, denn Sie haben Vertrauen. Vertrauen können aber nur Naturen, die über das Mittelmaß hinausragen. Erzählen Sie mir doch etwas von Ihrem Gatten, geht es ihm wieder besser? Ist das Fieber vollkommen verschwunden, ist er wieder stark und munter?« Hier sah ich die Gelegenheit, ihn über Jonathan zu befragen, und so sagte ich:
    »Er war schon fast wiederhergestellt, aber der Tod von Mr. Hawkins hat ihn erneut aus der Bahn geworfen.« Er unterbrach mich:
    »Ja, ja, ich weiß. Ich habe ja Ihre letzten beiden Briefe gelesen.« Ich fuhr fort:
    »Ich bin jedenfalls überzeugt, dass es so ist, denn als wir letzten Donnerstag in der Stadt waren, hatte er eine Art von Schock.«
    »Ein Schock so bald nach einem Nervenfieber? Das ist nicht gut. Was für ein Schock war es denn?«
    »Er glaubte, jemanden wiederzuerkennen, was eine schreckliche Erinnerung in ihm wachrief, die irgendwie mit der Ursache seines Nervenfiebers in Zusammenhang stehen muss …« Und auf einmal überwältigte mich alles: Das Mitleid mit Jonathan, der |269| Horror, den er durchlebt haben musste, das furchtbare Geheimnis seines Tagebuches und die Sorgen, die seit so langer Zeit schon auf mir lasteten – alles brach über mich herein. Ich glaube gar, ich wurde hysterisch, denn ich warf mich auf die Knie, hob meine Arme zu ihm auf und flehte ihn an, meinen Mann wieder gesund zu machen. Er ergriff meine Hände, zog mich hoch und bat mich, auf dem Sofa Platz zu nehmen. Dann setzte er sich neben mich, hielt meine Hände und sagte voller Güte:
    »Mein Leben ist öde und einsam und so voll von Arbeit, dass mir für Freundschaften wenig Zeit bleibt. Aber seit ich von meinem Freund John Seward hierher gerufen wurde, habe ich so gute Menschen kennengelernt und so viel Seelenadel gesehen, dass ich mehr als je die Einsamkeit meines eigenen Lebens empfinde, die mit voranschreitendem Alter immer spürbarer wird. Glauben Sie mir, ich kam voller Respekt vor Ihnen hierher, und Sie haben mir neue Hoffnungen gegeben. Nicht nur, dass ich gefunden habe, wonach ich suchte, sondern ich habe auch erfahren, dass es noch gute Frauen gibt, durch die das Leben erst sinnvoll und glücklich wird. Frauen, deren Leben und deren Aufrichtigkeit ein gutes Beispiel für die kommenden Generationen ist. Ich bin so froh, dass ich Ihnen einen Gefallen erweisen kann, denn woran Ihr Gatte leidet, das liegt im Bereich meiner Studien und Erfahrungen. Ich verspreche Ihnen, dass ich von Herzen gern alles für ihn tun will, was ich kann, alles, um sein Leben wieder mannhaft stark und das Ihre wieder glücklich zu machen. Aber nun müssen Sie erst einmal essen. Sie sind überarbeitet und vielleicht auch überbesorgt. Ihr Gatte Jonathan würde sicher nicht gerne sehen, dass Sie so bleich sind, und es wäre auch nicht gut für ihn, wenn er sich um seine Frau sorgen müsste. Also essen Sie und lächeln Sie wieder! Sie haben mir alles von Lucy erzählt, nun wollen wir nicht weiter über sie sprechen, damit wir nicht zu traurig werden. Ich werde heute Nacht in Exeter bleiben, denn ich habe viel nachzudenken über das, was Sie mir gesagt haben. Wenn ich genügend nachgedacht habe, werde ich morgen vielleicht noch einige |270| Fragen an Sie haben, wenn Sie gestatten. Heute sollen Sie mir noch etwas von Jonathans Leiden erzählen, aber nicht sogleich. Zuerst müssen Sie nämlich essen, danach können Sie dann berichten.«
    Wir aßen also, und nach dem Lunch gingen wir wieder ins Wohnzimmer hinüber, wo er sagte:
    »So, und nun erzählen Sie mir bitte alles über Jonathan.« Als ich nun zu dem gelehrten Mann sprechen sollte, fürchtete ich zunächst, er könnte mich für töricht und Jonathan für einen Wahnsinnigen halten, sein Tagebuch ist immerhin äußerst befremdlich. Aber da der Doktor so freundlich war und mir seine Hilfe in so warmen Worten versprochen hatte, schenkte ich ihm mein Vertrauen und begann:
    »Dr. van Helsing, das, was ich Ihnen zu sagen habe, ist so seltsam, dass ich Sie bitten muss, nicht über mich oder meinen Gatten zu lachen. Seit gestern bin ich nämlich in einem geradezu fieberhaften Zustand des Zweifels. Sie müssen Nachsicht mit mir haben und dürfen mich nicht für wahnsinnig halten, dass ich mittlerweile an einige

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