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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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einen ganzen Tag und eine ganze Nacht weg, und wir sind zum ersten Mal seit unserer Hochzeit getrennt. Hoffentlich gibt er gut auf sich acht, möge alle Aufregung von ihm fernbleiben. Es ist zwei Uhr, und der Doktor wird bald hier sein. Ich werde ihm von Jonathans Tagebuch nichts erzählen, es sei denn, er fragt danach. Ich bin so froh, dass ich mein eigenes Tagebuch mit der Maschine ins Reine geschrieben habe; ich kann |264| es ihm dann aushändigen, wenn er etwas über Lucy wissen will. Viele Fragen werden sich so erübrigen.
     
    Später
    Er ist gekommen und auch schon wieder fort. Was war das nur für ein seltsamer Besuch, mir schwirrt noch immer der Kopf! Es ist wie ein Traum, kann das alles, oder selbst nur ein Teil davon, überhaupt möglich sein? Hätte ich nicht zuvor Jonathans Tagebuch gelesen, so glaubte ich nicht das Geringste von alldem. Der arme, gute Jonathan, was muss er gelitten haben! Ich bete zu Gott, dass ihn all das niemals mehr erreichen möge. Ich werde mein Äußerstes tun, ihn davon fernzuhalten. Oder könnte es ihm unter Umständen sogar Trost und Hilfe bringen – so schrecklich dieser Gedanke in letzter Konsequenz auch sein mag –, bestätigt zu bekommen, dass seine Augen, seine Ohren und seine Fantasie ihm keinen Streich gespielt haben, dass alles wahr ist? Es kann ja auch sein, dass es der Zweifel selbst ist, der ihn so quält. Dass er, wenn dieser Zweifel beseitigt wird, indem ihm die Wahrheit des Erlebten bewiesen wird, wieder ausgeglichener wird und stärker, um alle Erschütterungen auszuhalten. Dr. van Helsing muss ein guter und kluger Mann sein, wenn er Arthurs und Dr. Sewards Freund ist und wenn man ihn extra von Holland hergerufen hat, um Lucy zu behandeln. Unsere Begegnung hat mich von seiner Güte, seiner Freundlichkeit und seiner vornehmen Natur überzeugt. Wenn er morgen wiederkommt, werde ich ihn wegen Jonathan befragen, und dann, so Gott will, wird all diese Sorge und Angst doch noch ein gutes Ende nehmen.
    Früher wünschte ich mir manchmal, Menschen so befragen zu können, wie es die Journalisten tun. Jonathans Freund von den »Exeter News« sagt immer, dass es bei diesem Beruf hauptsächlich auf das Gedächtnis ankomme und dass man das Gehörte im besten Falle wörtlich niederschreiben müsse, selbst wenn es hinterher doch noch einiger Korrekturen bedürfe. Das heute war |265| ein ganz besonderes Interview, ich werde versuchen, es Wort für Wort wiederzugeben:
    Es war halb drei, als es an der Haustür klopfte. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und machte mich bereit. Nach wenigen Augenblicken kam Mary und meldete: »Dr. van Helsing.«
    Ich erhob mich und nickte, woraufhin er eintrat. Er ist ein Mann von mittlerer Größe, kräftig gebaut, mit zurückgezogenen Schultern, die den beachtlichen Brustkasten umso mehr hervortreten lassen. Hals und Kopf sind wohlproportioniert. Die Haltung des Kopfes lässt sofort einen Mann von Geist und Kraft erkennen, hinter den Ohren wird das Haupt mächtig und breit. Das glatt rasierte Gesicht hat ein eckiges Kinn, einen breiten, entschlossenen Mund, eine wohlgeformte, gerade Nase und starke Augenbrauen, die sich zusammenziehen, wenn der Mund sich im Gespräch verhärtet. Die Stirn ist breit und fast senkrecht, bis sie über zwei weit auseinanderstehende Hügel am Haaransatz steil zurückfällt, wodurch das rötliche Haar nicht ins Gesicht, sondern ausschließlich nach hinten und über die Schläfen fallen kann. Die dunkelblauen, wachen, weit auseinanderliegenden Augen verraten dem Gegenüber augenblicklich die Stimmung des ganzen Mannes. Er sagte zu mir:
    »Mrs. Harker, wenn ich nicht irre?« Ich nickte zustimmend.
    »Sie hießen früher Miss Mina Murray?« Wieder nickte ich.
    »Es ist Mina Murray, die Freundin der teuren Lucy Westenra, mit der zu sprechen ich gekommen bin. Madame Mina, ich komme wegen der Toten.«
    »Herr Doktor«, sagte ich, »eine bessere Empfehlung könnten Sie gar nicht haben, als dass Sie der Freund und Helfer Lucy Westenras waren.« Ich reichte ihm die Hand, er ergriff sie und entgegnete freundlich:
    »Oh, Madame Mina, ich ahnte ja bereits, dass die Freundin der armen kleinen Lucy ein guter Mensch sein müsse. Nun aber bin ich restlos davon überzeugt …« Er machte eine höfliche Verbeugung. |266| Ich fragte ihn, weshalb er mich zu sprechen wünsche, und er begann:
    »Ich habe Ihre Briefe an Miss Lucy gelesen. Verzeihen Sie mir, aber ich musste meine Untersuchungen irgendwo beginnen, und es gab niemanden

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