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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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das mir aber schon im Moment des Sprechens selbst peinlich war:
    »Sie könnte ja doch heute Nacht wieder hierher zurückgebracht worden sein.«
    »Glauben Sie das wirklich? Wer sollte das denn getan haben?«
    »Das kann ich nicht sagen, aber irgendjemand muss es gewesen sein.«
    »Und dies: Jetzt ist sie doch schon eine Woche tot. Welche |293| Leiche sieht nach dieser Zeit wohl noch so aus?« Darauf hatte ich allerdings keine Antwort mehr, ich schwieg. Van Helsing schien mein Schweigen nicht zu bemerken, denn er zeigte weder Verdruss noch Triumph. Er sah gespannt auf das Gesicht des toten Mädchens. Von Zeit zu Zeit hob er ihre Lider hoch und blickte in ihre Augen, öffnete dann wieder ihren Mund und betrachtete die Zähne. Schließlich wandte er sich zu mir und sagte:
    »Hier ist etwas, das von allem bisher Bekannten abweicht; hier ist eine Art Doppelleben, das ungewöhnlich ist. Sie wurde vom Vampir gebissen, als sie in Trance war, als sie schlafwandelte. Oh, Sie sind erstaunt, das wussten Sie nicht, Freund John? Macht nichts, Sie werden später noch alles darüber erfahren. Wenn sie im Trancezustand war, war es für ihn jedenfalls immer am leichtesten, ihr das Blut auszusaugen. In Trance starb sie, und in Trance liegt sie hier als
Untote
. Das unterscheidet sie von allen anderen. Gewöhnlich, wenn die Untoten zu Hause schlafen« – er beschrieb mit dem Arm einen großen Kreis, um anzudeuten, was für die Untoten das Zuhause sei –, »zeigt ihr Gesicht das an, was sie sind. Aber dieses süße Geschöpf kehrt, wenn es nicht gerade untot ist, in die Formen einer gewöhnlichen Toten zurück. Sehen Sie, es liegt kein Zug von Bosheit auf ihrem Gesicht, deshalb fällt es mir auch so furchtbar schwer, sie in ihrem Schlaf töten zu müssen.« Es überlief mich kalt bei diesen Worten, und langsam fühlte ich die Bereitschaft in mir aufsteigen, van Helsings Theorien zu akzeptieren. Und wenn sie bereits tot war, so war es ja eigentlich gar nicht so entsetzlich, sie erneut zu töten … Der Professor sah mich an und erkannte in meinem Gesicht offenbar den Kampf, den ich austrug, denn er sagte fast erfreut:
    »Nun, glauben Sie jetzt endlich?«
    Ich antwortete: »Verlangen Sie nicht allzu viel auf einmal von mir. Ich bin ja bereit, mich Ihrer Auffassung anzuschließen. Wie wollen Sie dieses blutige Werk vollbringen?«
    »Ich werde ihr den Kopf abschneiden, den Mund mit Knoblauch füllen und ihr dann einen Pfahl durch den Leib hämmern.« |294| Der Gedanke, dass der Körper des Mädchens, das ich so geliebt hatte, in dieser Weise verstümmelt werden würde, erregte tiefstes Grauen in mir. Und dennoch war dieses Gefühl nicht so übermächtig, wie ich eigentlich erwartet hatte, denn ich begann mich tatsächlich in der Nähe dieses Wesens, dieser
Untoten,
wie van Helsing sie nannte, unbehaglich zu fühlen und sie zu verabscheuen. Ist es möglich, dass Liebe entweder ganz subjektiv oder ganz objektiv ist?
    Ich wartete eine ganze Weile, dass van Helsing endlich beginnen würde, aber er stand nur wie in Gedanken versunken da. Plötzlich jedoch ließ er das Schloss seines Koffers wieder zuschnappen und sagte:
    »Ich habe gerade nachgedacht, wie es wohl am besten wäre. Wenn ich einfach meinem Wunsch folgen könnte, so würde ich jetzt gleich das tun, was schließlich einmal getan werden muss, aber es gibt auch noch andere Dinge zu berücksichtigen. Dinge, die tausendmal mehr Schwierigkeiten in sich bergen, als wir uns vorstellen. Dies hier ist einfach: Sie hat bis jetzt noch kein Leben vernichtet, aber das ist nur eine Frage der Zeit. Jetzt zu handeln, würde also bedeuten, ihre Opfer endgültig vor dem Tod zu bewahren. Aber täten wir es, was sollten wir dann Arthur sagen, dem es nicht verborgen bleiben kann? Hier wird es kompliziert: Wie sollten wir
ihm
unser Tun plausibel machen, wenn selbst
Sie
Ihren Sinnen nicht trauen, der Sie die Wunden an Lucys Kehle und die ähnlichen Wunden am Hals des Kindes im Hospital gesehen haben?
Sie
haben den Sarg letzte Nacht leer und jetzt mit einem Mädchen darin vorgefunden, das acht Tage nach dem Tod keine andere Veränderung aufweist, als dass es noch rosiger und noch schöner geworden ist.
Sie
haben letzte Nacht die weiße Gestalt gesehen, die ein Kind zum Friedhof getragen hat. Wie können wir von Arthur, der nichts von all diesen Dingen weiß, erwarten, dass er uns Glauben schenkt? Er misstraute mir schon damals, als ich ihn wegriss, da er seine sterbende Braut küssen wollte. Ich weiß, er

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