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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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Herz getrieben werden. Es wird eine furchtbare Tortur, darüber wollen wir uns nicht täuschen, aber es wird nur kurze Zeit dauern, und Ihre Freude danach wird größer sein als der Schmerz. Wenn Sie dieses unheimliche Grab wieder verlassen, wird es Ihnen vorkommen, als atmeten Sie Himmelsluft. Sie dürfen allerdings keinesfalls zögern, wenn Sie einmal begonnen haben. |314| Denken Sie daran, dass wir, Ihre Freunde, bei Ihnen sind und ununterbrochen für Sie beten werden.«
    »Vorwärts«, sagte Arthur heiser, »sagen Sie mir, was ich tun soll.«
    »Nehmen Sie diesen Pflock in Ihre Linke, die Spitze kommt über das Herz der Leiche. In die Rechte nehmen Sie den Hammer. Wenn wir mit dem Totengebet beginnen – ich habe das Buch hier, ich werde es lesen, und die anderen werden einstimmen –, dann schlagen Sie in Gottes Namen zu, auf dass die, die wir lieben, Frieden finde und nicht länger untot sei!«
    Arthur ergriff den Pfahl und den Hammer, und da er fest entschlossen war, zitterten seine Hände nicht. Van Helsing schlug sein Messbuch auf und begann zu lesen, wobei Quincey und ich ihm nachsprachen, so gut wir es vermochten. Arthur setzte die Spitze auf das Herz des Leichnams, dass man die Vertiefung auf dem weißen Fleisch erkennen konnte. Dann schlug er mit aller Kraft zu.
    Das Ding im Sarg krümmte sich zusammen, und ein grauenerregender Schrei kam aus den weit aufgerissenen Lippen. Der Körper wand sich, erzitterte und zuckte in wilden Krämpfen, die spitzen weißen Zähne hämmerten aufeinander, bis die Lippen zerfetzt waren, und aus dem Mund quoll blutroter Schaum. Arthur aber wich nicht zurück. Wie er den hammerbewehrten Arm unnachgiebig hob und niedersausen ließ und den gnadenbringenden Pfahl immer tiefer in die Untote hineintrieb, glich er dem nordischen Gott Thor. Das Blut quoll aus dem durchbohrten Herzen und spritzte weit umher, aber auf Arthurs Gesicht waren nur unerschütterliche Entschlossenheit und Pflichtbewusstsein zu erkennen. Sein Anblick gab auch uns Mut, und unsere Stimmen klangen laut durch das Grabgewölbe.
    Dann ließen die krampfartigen Bewegungen des Leichnams nach, die Zähne schlugen nicht mehr aufeinander und das Zucken des Gesichtes hörte auf. Schließlich lag er still, die entsetzliche Tat war getan.
    |315| Der Hammer fiel aus Arthurs Hand. Der tapfere Freund schwankte und wäre gefallen, wenn wir ihn nicht gehalten hätten. Große Schweißtropfen standen auf seiner Stirn, und sein Atem kam in röchelnden Stößen aus der Brust. Es war in der Tat eine grauenvolle Aufgabe für ihn gewesen, und rein diesseitige Erwägungen hätten ihn sicher nicht dazu gebracht, sie auszuführen. Einige Minuten waren wir so mit ihm beschäftigt, dass wir keine Zeit fanden, nach dem Sarg zu sehen. Als wir uns schließlich wieder umblickten, gaben wir alle Ausrufe der Überraschung von uns. Unser Erstaunen war so groß, dass auch Arthur, der sich niedergesetzt hatte, sich vom Boden erhob und näher herantrat. Er sah auf den Sarg, und ein eigentümlich glückliches Leuchten breitete sich auf seinem Gesicht aus, das bis eben noch von Entsetzen verfinstert war.
    Vor uns im Sarg lag nun nicht mehr das unheimliche, gefürchtete und verhasste Wesen, dessen Vernichtung ein jeder von uns als Privileg betrachtet hatte, zu dessen Ausführung wir alle bereit gewesen wären. Stattdessen lag Lucy da, so wie wir sie im Leben gekannt hatten, das Gesicht verklärt von lebendiger Schönheit und Reinheit. Es zeigte nun allerdings auch die Spuren der Krankheit und des Leides ihrer letzten Lebenswochen, aber auch diese Spuren waren uns teuer, denn sie bewiesen, dass wir hier wirklich Lucy vor uns hatten. Alle fühlten wir, dass die heilige Stille, die wie Sonnenschein über dem abgezehrten Gesicht und dem ganzen Leichnam lag, ein Symbol des ewigen Friedens war, den sie nun für immer erlangt hatte.
    Van Helsing trat leise hinzu und sagte, indem er seine Hand auf Arthurs Schulter legte:
    »Und nun, Arthur, mein Freund, lieber Junge, ist mir verziehen?«
    Als Arthur die Hand des alten Professors ergriff, schien er erst die ganze Tragweite des Geschehenen zu begreifen. Er führte van Helsings Hand an die Lippen, küsste sie und sagte tief gerührt:
    |316| »Es ist vergeben! Gott segne Sie dafür, dass Sie meiner lieben Braut ihre Seele und mir den Frieden wiedergegeben haben!« Dann legte er seinen Arm um die Schultern des Professors und seinen Kopf an dessen Brust, um dort für eine Weile still vor sich hinzuweinen. Wir

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