Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
Vom Netzwerk:
Es roch nach einer Ansammlung der |365| schlimmsten Krankheiten, zu der sich der penetrante, süßliche Gestank des Blutes addierte. Es war ein Leichendunst, als ob die Fäulnis selbst wieder in Fäulnis übergegangen wäre. Pfui Teufel, selbst die Erinnerung lässt mich speien! Jeder Atemzug, den dieses Scheusal tat, schien sich in diesem Raum festgesetzt und die Widerwärtigkeit der Atmosphäre verstärkt zu haben.
    Unter gewöhnlichen Verhältnissen hätte der Gestank wohl unserem Unternehmen ein Ende gemacht. Aber das war ein außergewöhnlicher Fall, und der erhabene und fürchterliche Zweck unseres Kommens gab uns eine über das normale Maß hinausgehende Widerstandsfähigkeit. Nachdem wir das unwillkürliche erste Schwindelgefühl überwunden hatten, gingen wir ohne Ausnahme an unser Werk, als wäre der verpestete Raum ein Rosengarten.
    Wir unternahmen eine gründliche Durchsuchung des Ortes, die der Professor mit den Worten eröffnete:
    »In erster Linie handelt es sich darum, herauszubekommen, wie viele Kisten noch hier sind. Danach müssen wir jedes Loch, jeden Winkel und jede Ritze durchsuchen und hoffen, irgendeinen Aufschluss über den Verbleib der übrigen Kisten zu erhalten.« Ein rascher Blick genügte, um die Summe der vorhandenen Kisten festzustellen, denn die Behältnisse waren sehr groß, ein Irrtum bezüglich ihrer Anzahl war gänzlich ausgeschlossen. Von den fünfzig Kisten waren nur noch neunundzwanzig übrig!
    Da bemerkte ich, dass Lord Godalming plötzlich herumfuhr und durch das Türgewölbe in den finsteren Gang hineinstarrte, der sich dahinter befand. Ich sah ebenfalls in die Richtung, und mein Herz stand still: In der Dunkelheit meinte ich die böse Fratze des Grafen zu erkennen, die scharfe Nase, die rotglühenden Augen, die roten Lippen, die schreckliche Blässe. Es war nur ein kurzer Augenblick, denn schon sagte Lord Godalming: »Ich dachte gerade, ich hätte ein Gesicht gesehen, aber es waren wohl nur Schatten.« Und er drehte sich wieder zurück. Ich aber hob meine Lampe hoch und trat in den Gang hinein. Es war nichts zu |366| entdecken, ringsum festes Mauerwerk, kein Zeichen der Anwesenheit von irgendjemandem außer uns. Und da sich in der Passage keine Winkel, keine Türen und keine Öffnungen befanden, bot sich auch kein Versteck, nicht einmal für
ihn
. Also schrieb auch ich die Erscheinung meiner durch Furcht angeregten Fantasie zu und sagte nichts weiter.
    Wenig später sah ich Morris plötzlich aus einem Winkel zurückprallen, den er gerade durchsucht hatte. Augenblicklich richteten wir alle unsere Augen auf die Stelle und erblickten einen phosphoreszierenden Schimmer, der wie Sternenlicht flackerte. Instinktiv rückten wir zusammen, und der ganze Raum begann, vor Ratten zu wimmeln.
    Einen Moment waren wir alle erschrocken, alle außer Lord Godalming, der auf einen solchen Fall vorbereitet schien. Er sprang rasch auf das große, eisenbeschlagene Außentor der Kapelle zu, dessen andere Seite Dr. Seward beschrieben hatte und die auch ich kannte, drehte den Schlüssel im Loch um, zog die immensen Riegel zurück und riss den Flügel mit einem mächtigen Schwung auf. Dann zog er sein silbernes Pfeifchen aus der Tasche, setzte es an die Lippen und ließ einen lauten, schrillen Pfiff ertönen. Von Dr. Sewards Haus her antwortete Hundegebell, und nach wenigen Sekunden kamen drei Terrier um die Ecke gesprungen. Unwillkürlich hatten wir uns alle zur offenen Pforte hin bewegt, und ich bemerkte, dass der Staub hier sehr zusammengetreten war; die Kisten waren also auf diesem Wege entfernt worden. Seit unserem Schreck war nur eine sehr kurze Zeit vergangen, aber dennoch hatten sich die Ratten bereits bis ins Ungeheuerliche vermehrt. Der Raum schien überflutet, überall wogten sie umher. Der Schein unserer Lampen zeigte nur noch wimmelnde, schwarze Körper, und die glitzernden, bösen Augen dieser Pest umgaben uns selbst an den Wänden wie eine Wolke von Leuchtkäfern. Endlich waren die Hunde da, aber auf der Schwelle blieben sie plötzlich stehen und knurrten, um dann gleichzeitig die Nasen zu heben und ein klägliches Geheul anzustimmen. Die |367| Ratten aber mussten mittlerweile in die Tausende gehen, und wir flohen aus der Kapelle.
    Lord Godalming packte einen der Hunde, hob ihn hoch und warf ihn über die Schwelle ins Innere. Kaum berührten dessen Pfoten den Boden, da schien auch sein Mut zurückgekehrt zu sein, und er verbiss sich tobend in seine Feinde. Die Ratten aber

Weitere Kostenlose Bücher