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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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den Entschluss noch frühzeitig gefasst haben, denn mit einer solchen Gemütsverfassung wäre die Kenntnis unseres beständig anwachsenden Wissens die reine Folter für sie.
    Ich konnte den Kameraden von den Erlebnissen des Tages erst erzählen, als wir allein waren. Nach Tisch – wir hatten noch ein wenig Musik gehört, um auch uns selbst gegenüber den Schein zu wahren – brachte ich Mina auf unser Zimmer und bat sie, sich niederzulegen. Sie war leidenschaftlich erregt und klammerte sich an mich, als wollte sie mich nicht von sich lassen. Aber es war noch sehr viel zu erledigen, und so trennte ich mich bald von ihr. Zum Glück hat dieses Schweigen noch keinen Schatten auf unsere Liebe geworfen.
    Als ich wieder hinunterkam, waren die anderen schon alle im Arbeitszimmer versammelt. Ich hatte mein Tagebuch aktualisiert und las es ihnen vor, weil ich es für das Beste hielt, sie rasch mit dem bekannt zu machen, was ich festgestellt hatte. Als ich mit dem Vorlesen fertig war, sagte van Helsing:
    »Das war ein schönes Stück Arbeit, Freund Jonathan! Zweifellos sind wir den fehlenden Kisten auf der Spur. Wenn wir sie alle in jenem Haus beieinanderfinden, wird unsere Arbeit nicht mehr lange dauern. Sollten aber einige fehlen, so müssen wir suchen, bis wir sie gefunden haben. Dann werden wir unseren Hauptstreich führen und den Verruchten in seinen endgültigen Tod hetzen.« Wir alle saßen darauf eine Weile schweigend da, bis Mr. Morris plötzlich fragte:
    »Sagen Sie einmal, wie kommen wir denn in jenes Haus hinein?«
    |389| »Ach, wir sind ja auch in das andere hineingekommen,« antwortete Lord Godalming unbekümmert.
    »Aber Art, das ist doch ein Unterschied! Wir sind in Carfax eingebrochen, da war es Nacht, und eine hohe Mauer schützte uns vor fremden Blicken. Es ist aber eine ganz andere Angelegenheit, einen Einbruch in Piccadilly zu veranstalten, ob bei Tag oder bei Nacht. Ich muss gestehen, ich sehe keinen Weg hineinzukommen, außer dass dieser eingebildete Agent uns irgendeinen Schlüssel beschafft. Vielleicht wissen wir mehr, wenn morgen sein Brief eintrifft.« Lord Godalming zog die Augenbrauen zusammen, stand auf und ging im Zimmer auf und nieder. Dann blieb er stehen und sagte, uns alle der Reihe nach ansehend:
    »Quincey ist ein heller Kopf. Unsere Einbruchstouren beginnen sich auszuwachsen. Einmal sind wir heil davongekommen, aber nun haben wir einen wirklich schwierigen Job vor uns, wenn wir nicht zufällig das Schlüsselbund des Grafen finden sollten.«
    Da wir vor dem Morgen nichts mehr tun konnten, und da es überdies ratsam war, zumindest den Brief von Mitchell an Lord Godalming abzuwarten, entschieden wir, vor dem Frühstück keine weiteren aktiven Schritte zu unternehmen. Eine ganze Weile saßen wir darauf noch rauchend beieinander und diskutierten die Angelegenheit unter den verschiedensten Gesichtspunkten. Ich nutzte die Gelegenheit, dieses Tagebuch bis zum aktuellen Augenblick zu ergänzen. Nun bin ich sehr müde, und ich werde zu Bett gehen …
    Noch ein paar Worte. Mina liegt in tiefem Schlummer und atmet regelmäßig. Ihre Stirn ist in Falten gezogen, als ob sie sogar im Schlaf nachdenke. Sie ist immer noch so bleich, aber sie sieht nicht mehr so abgehärmt aus wie heute früh. Der morgige Tag wird, so hoffe ich, all dem ein Ende bereiten, denn sie wird dann wieder daheim in Exeter sein. Oh, was bin ich müde!
     
    |390| Dr. Sewards Tagebuch
     
    1. Oktober
    Renfields Verhalten gibt mir wieder neue Rätsel auf. Die Stadien wechseln so rasch, dass es mir unmöglich ist, sie einzeln festzuhalten. Da sie aber immer weitaus mehr betreffen, als nur sein eigenes Wohlergehen, sind sie ein hochinteressantes Studiengebiet für mich. Heute früh, kurz nachdem er sich van Helsing gegenüber so abweisend gezeigt hatte, suchte ich ihn auf. Er trug die Miene eines Mannes zur Schau, der dem Schicksal gebietet. Und in der Tat gebot er – wenigstens subjektiv – dem Schicksal. Er schien sich nicht mehr um die weltlichen Dinge zu kümmern, er war oben in den Wolken und sah auf die Schwächen und Mängel von uns Sterblichen herunter. Ich dachte, die Gelegenheit zu nutzen und etwas zu lernen, und fragte ihn also:
    »Wie steht es denn jetzt mit den Fliegen?« Er lächelte mich auf eine stille, überlegene Weise an, ganz, als wäre er zu Malvolio 3 geworden, und antwortete:
    »Die Fliege, Sir, hat einen auffallenden Zug: Ihre Flügel sind sinnbildlich für die ätherischen Kräfte der Psyche. Die Alten wussten

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