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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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Irgendwie kam es mir so vor, als wäre Mrs. Harker in mein Zimmer getreten.«
    Die zwei Männer, die bisher auf dem Bettrand gesessen hatten, erhoben sich und traten hinter ihn, sodass er sie zwar nicht sehen, sie ihn aber besser verstehen konnten. Beide verhielten sich still, doch der Professor zeigte sich deutlich erschrocken. Er zitterte, und sein Gesicht wurde noch strenger und ernster als zuvor. Renfield fuhr fort, ohne dies zu bemerken:
    »Als Mrs. Harker mich heute Nachmittag besuchte, war sie nicht mehr wie sonst. Sie kam mir vor wie ein zum zweiten Male aufgegossener Tee.« Wir waren alle tief erschüttert, aber keiner sagte ein Wort.
    |408| »Ich merkte nicht, dass sie hier war, bis sie sprach. Und sie sah auch ganz anders aus. Ich mag die blassen Leute nicht leiden; ich ziehe die Menschen vor, die ordentlich Blut in den Adern haben, und bei ihr schien alles Blut schon herausgeflossen zu sein. Im ersten Augenblick dachte ich nicht darüber nach, als sie aber hinausging, begann ich zu grübeln, und es machte mich rasend, zu erkennen, dass er ihr das Leben aus dem Leibe saugt.« – Ich konnte förmlich fühlen, wie die Freunde um mich herum gleich mir erschauderten, doch noch immer blieben wir still. – »Als er dann heute Abend wiederkam, war ich bereit, ihn gebührend zu empfangen. Ich sah den Nebel sich hereinstehlen und packte ihn, so gut ich konnte. Ich hatte gehört, dass Wahnsinnige übernatürliche Kräfte besitzen sollen, und da ich – wenigstens zuzeiten – ein Wahnsinniger bin, beschloss ich, meine Kräfte zu nutzen. Ha, und er schien es auch tatsächlich zu spüren, denn er trat aus dem Nebel heraus, um mit mir zu kämpfen. Ich hielt wacker stand, dachte sogar schon, ihn zu besiegen, denn er sollte nicht noch einmal ihr Blut bekommen, dann aber sah ich seine Augen. Sie brannten sich in mich hinein, und meine Kraft zerrann wie Wasser. Er entwand sich meiner Umklammerung, und als ich von Neuem versuchte, ihn zu packen, da hob er mich hoch und schleuderte mich zu Boden. Vor meinen Augen erschien eine rote Wolke, in meinen Ohren dröhnte es wie Donner, und der Nebel verschwand unter meiner Tür …« Seine Stimme wurde wieder schwächer und sein Atem schwerer. Van Helsing stand unwillkürlich auf.
    »Wir wissen nun das Schlimmste«, sagte er. »Er ist
hier,
und wir kennen seine Absicht. Vielleicht ist es noch nicht zu spät. Wir wollen uns bewaffnen, gerade so wie neulich, und keine Zeit verlieren. Jeder Augenblick ist kostbar!« Es war nicht mehr nötig, unsere Befürchtungen und unsere Meinungen in Worte zu fassen – wir waren uns unserer Übereinstimmung gewiss. Wir eilten in unsere Zimmer und holten die Gegenstände, die wir beim Eindringen in das Haus des Grafen benutzt hatten. Der |409| Professor hatte seine Waffen schon parat, und als wir wieder auf dem Flur zusammentrafen, deutete er auf sie und sagte:
    »Diese Dinge hier habe ich immer dabei, und ich gebe sie auch nicht aus der Hand, bevor dieses unglückliche Geschäft zu Ende gebracht ist. Seien Sie ebenso auf der Hut, liebe Freunde, denn es ist ja kein gewöhnlicher Feind, mit dem wir es hier zu tun haben! Oh, dass die arme Madame Mina dies nun doch erfahren musste …« Er hielt inne, da ihm die Stimme versagte. Ob in meinem eigenen Herzen Schrecken oder Wut regierte, vermag ich nicht zu sagen.
    Vor der Tür zum Zimmer der Harkers blieben wir stehen. Art und Quincey hielten sich im Hintergrund, Letzterer fragte:
    »Dürfen wir hier denn einfach so eindringen?«
    »Wir müssen«, sagte van Helsing fest. »Und wenn die Tür verschlossen ist, breche ich sie eben auf!«
    »Aber wird es sie denn nicht furchtbar erschrecken? Es ist nicht gerade üblich, auf diese Weise ins Zimmer einer Dame einzubrechen!« Van Helsing erwiderte feierlich:
    »Sie haben wie immer recht, aber hier geht es um Leben oder Tod. Für den Arzt sind alle Zimmer gleich, und selbst, wenn dem nicht so wäre: Heute Nacht ist mir das egal! Freund John, wenn ich den Türknauf umwende, und die Tür geht nicht auf, dann stemmen Sie Ihre Schultern dagegen, und Sie auch, meine Freunde! Und jetzt los!«
    Er drehte den Knauf, aber die Tür gab nicht nach. Wir stemmten uns also mit aller Kraft dagegen, und mit einem lauten Krachen brach der Riegel aus dem Holz, die Tür sprang auf, und wir fielen fast der Länge nach ins Zimmer. Der Professor fiel tatsächlich zu Boden, er richtete sich aber rasch wieder auf. Der Anblick, der sich uns bot, lähmte mich fast. Ich fühlte, wie

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