Dracula - Stoker, B: Dracula
den Fall, dass über das Schiff keine Nachricht eingelaufen sein sollte, sodass er sicher sein konnte, dass man die »Zarin Katharina« von London aus im Blick behielt.
Wir aßen zu Abend und gingen auf unsere Zimmer. Morgen |485| werden wir den Vizekonsul aufsuchen und uns nach Möglichkeit die Erlaubnis holen, unverzüglich das Schiff zu betreten, sobald es eingelaufen ist. Van Helsing meinte, dass wir unbedingt zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang an Bord gehen müssten. Der Graf kann das fließende Wasser dann nicht einmal in Gestalt einer Fledermaus überqueren und das Schiff also nicht verlassen. Da er sich aber auch nicht in Menschengestalt zeigen kann, ohne Verdacht zu erregen, muss er den Tag über in seiner Kiste bleiben. Wenn es uns nun gelingt, nach Sonnenaufgang an Bord zu kommen, so ist er in unserer Gewalt. Dann können wir die Kiste öffnen und mit ihm noch bevor er wieder erwacht auf dieselbe Weise verfahren, wie wir es mit der armen Lucy getan haben. Gnade hat er von uns jedenfalls nicht zu erwarten. Mit den Beamten und den Seeleuten werden wir wohl keine besonderen Scherereien haben, denn Gott sei Dank befinden wir uns hier in einem Land, in dem Bestechungsgelder alles vermögen. Und an Geld fehlt es uns ja wirklich nicht. Wir müssen nur darauf achten, dass das Schiff nicht nach Sonnenuntergang in den Hafen einläuft, ohne dass wir gewarnt werden. Der Geldbeutel wird dies sicher für uns einrichten, schätze ich.
16. Oktober
Minas Auskunft ist immer noch die Gleiche: plätschernde Wellen, rauschendes Wasser, Dunkelheit und günstiger Wind. Wir sind offenbar zeitig genug hier angekommen, und wenn wir von der »Zarin Katharina« hören, werden wir bereit sein. Sie muss noch die Dardanellen passieren, wo sie zwangsläufig registriert werden wird. Spätestens dann hören wir aus London von ihr.
17. Oktober
Ich glaube, es ist nun alles aufs Beste vorbereitet, um den Grafen bei seiner Ankunft gebührend zu empfangen. Godalming hat dem Schiffseigentümer erzählt, er würde an Bord Diebesgut vermuten, |486| Sachen, die einem seiner Freunde gestohlen worden wären, und er hat daraufhin die inoffizielle Genehmigung erhalten, die Kiste auf eigenes Risiko zu öffnen. Der Schiffseigner hat ihm sogar eine Bescheinigung mitgegeben, die den Kapitän anweist, Godalming an Bord alle Rechte einzuräumen, die dieser für nötig erachten würde. Für den Agenten in Varna besitzt er eine identische Vollmacht. Wir besuchten den Agenten, der sich von Godalmings ausgesuchter Höflichkeit sehr beeindruckt zeigte, und wir waren alle sehr zufrieden, als er uns versprach, alles zu tun, um unseren Wünschen zu entsprechen. Auch das Verfahren haben wir bereits geklärt: Wenn wir die Kiste geöffnet haben und der Graf darin ist, werden van Helsing und Seward ihm sofort den Kopf abtrennen und ihm einen Pfahl durch das Herz treiben. Morris, Godalming und ich werden dafür sorgen, dass keine Störungen eintreten, selbst wenn wir dabei unsere Waffen einsetzen müssten, die wir bereit haben werden. Der Professor sagt, dass der Körper des Grafen recht bald nach dieser Behandlung zu Staub zerfallen wird. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass man Mordanschuldigungen gegen uns vorbringen sollte, wird also kein Beweis vorliegen. Aber selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, werden wir mit unserem Vorhaben entweder siegen oder untergehen. Vielleicht werden uns eines Tages ja auch diese unsere Aufzeichnungen dazu dienen, vor einem Gericht unsere Unschuld zu beweisen – ich selbst würde eine solche Möglichkeit aus vollem Herzen begrüßen. Jetzt aber werden wir nichts unversucht lassen, unseren Plan auszuführen. Wir haben mit gewissen Hafenbeamten verabredet, dass wir in dem Moment, in dem die »Zarin Katharina« in Sicht kommt, unverzüglich durch einen speziellen Boten informiert werden.
23. Oktober
Über eine Woche haben wir nun gewartet. Täglich trifft ein Telegramm an Godalming ein, es ist aber immer die alte Geschichte: »Noch nicht gemeldet.« Minas hypnotische Morgen- und Abendberichte |487| sind ebenfalls unverändert: plätschernde Wellen, rauschendes Wasser, knarrende Masten.
Telegramm von Rufus Smith, Lloyd’s, London,
an Lord Godalming, c/o H. B. M. 2 Vizekonsul, Varna
24. Oktober
»Zarin Katharina« heute Morgen von den Dardanellen gemeldet.
Dr. Sewards Tagebuch
24. Oktober
Wie ich meinen Phonographen vermisse! Es ist schrecklich ermüdend, ein Tagebuch von Hand zu
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