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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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bin!
     
    30. Juni, am Morgen
    Dies werden wohl die letzten Worte sein, die ich in mein Tagebuch schreibe. Ich schlief bis kurz vor Tagesanbruch, und als ich aufstand, warf ich mich auf die Knie nieder, denn ich wollte, dass der Tod, wenn er käme, mich wenigstens nicht unvorbereitet fände.
    Bald spürte ich die leichten Veränderungen in der Luft und wusste, dass der Morgen da war. Nun ertönte auch der lang ersehnte Hahnenschrei, der mir anzeigte, dass ich zunächst erst einmal in Sicherheit war.
    Mit hoffnungsvollem Herzen öffnete ich meine Tür und eilte hinunter in die große Halle – hatte ich gestern doch gesehen, dass das Tor nicht verschlossen worden war, folglich musste der Weg in die Freiheit offen stehen! Meine Hände zitterten vor Erregung, als ich die schweren Ketten aushakte und die massiven Riegel zurückschob.
    |78| Aber das Tor bewegte sich nicht. Mich packte die Verzweiflung, ich stieß immer und immer wieder dagegen und rüttelte so sehr daran, dass es, so schwer es auch war, in den Angeln krachte. Dann bemerkte ich den Bolzen des Türschlosses: Das Tor musste verschlossen worden sein, nachdem ich den Grafen verlassen hatte.
    Mich packte ein wütendes Verlangen, den Schlüssel um jeden Preis zu erlangen, und ich beschloss, die Mauer nochmals hinunterzuklettern und in das Zimmer des Grafen einzudringen. Mochte er mich meinethalben töten – ein rascher Tod schien mir von allen Aussichten nicht die schlimmste zu sein. Ohne zu zögern, rannte ich zum östlichen Fenster hinauf und stieg, ganz wie zuvor schon einmal, die Mauer hinab ins Zimmer des Grafen. Es war leer, aber das hatte ich nicht anders erwartet. Der Haufen Gold lag an seiner Stelle, ein Schlüssel war jedoch – ganz wie zuvor – nicht zu sehen. Also ging ich durch die Ecktür, die Wendeltreppe hinunter und dann durch den finsteren Gang in die alte Kapelle. Ich wusste schließlich genau, wo ich das Scheusal zu suchen hatte.
    Die große Kiste stand noch auf demselben Platz, dicht an der Mauer. Der Deckel lag schon darauf, war aber noch nicht festgemacht – die Nägel steckten im Holz und warteten darauf, eingeschlagen zu werden. Ich musste die Kleider des Grafen nach dem Schlüssel durchsuchen, also hob ich den Deckel ab und lehnte ihn an die Wand. Dann aber sah ich etwas, das mein Herz mit tiefstem Grauen erfüllte. Da lag der Graf, aber er sah aus, als wäre seine Jugend wieder zurückgekehrt: Haar und Schnurrbart, vordem weiß, waren nun dunkel-eisengrau, die Wangen waren voller, und die weiße Haut schien rosig unterlegt. Der Mund war röter als je, denn auf den Lippen standen Tropfen frischen Blutes, das in den Mundwinkeln zusammenrann und von da über Kinn und Hals hinuntersickerte. Selbst die Augen lagen nicht mehr so tief, denn es schien sich neues Fleisch um sie gebildet zu haben. Es sah aus, als hätte sich die grauenvolle Kreatur mit Blut überfressen. |79| Das Monster lag da wie ein vollgesogener Blutegel, erschöpft von der Übersättigung. Ich schauderte, als ich mich über ihn beugte, um ihn zu durchsuchen – jeder meiner Sinne sträubte sich gegen eine Berührung. Aber ich
musste
es tun, sonst war ich verloren: Die kommende Nacht würde mein Körper ein Bankett für die entsetzlichen Drei bilden. Ich tastete also den ganzen Körper ab, entdeckte aber keine Spur von einem Schlüssel. Dann hielt ich einen Augenblick inne und betrachtete den Grafen. Es lag ein so höhnisches Lächeln auf dem aufgedunsenen Gesicht, dass es mich fast wahnsinnig machte. Diesem Wesen half ich also dabei, nach London überzusiedeln, wo es vielleicht jahrhundertelang unter den sich drängende Millionen von Menschen seine Blutgier befriedigen und einen sich immer weiter vergrößernden Kreis von Halbdämonen schaffen würde, um sie auf die Wehrlosen zu hetzen. Der Gedanke machte mich rasend, und mich überkam eine schreckliche Lust, die Welt von diesem Ungeheuer zu befreien. Eine tödliche Waffe war nicht zur Hand, also ergriff ich eine der Schaufeln, welche die Arbeiter beim Füllen der Kisten benutzt hatten, und holte weit aus, um mit der scharfen Kante in das verhasste Gesicht zu schlagen. Da drehte sich plötzlich der Kopf, und die Augen sahen mich mit der ganzen Glut eines Basilisken 4 an. Jähes Entsetzen lähmte mich bei diesem Anblick, die Schaufel zitterte in meinen Händen und fiel kraftlos herunter, riss aber eine klaffende Wunde in die Stirn des Liegenden. Dann rutschte sie quer über die Kiste, und als ich sie wegziehen wollte,

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