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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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ich muss aufhören; ich fühle mich so elend, wenn ich auch glücklich bin.
     
    Am Abend
    Arthur ist gerade gegangen und ich bin wieder besserer Laune als vorhin, wo ich zu schreiben aufhörte. Ich kann Dir jetzt weiter von den Ereignissen des Tages erzählen. Also, Liebste, Nummer zwei kam nach dem Lunch. Er ist ein reizender Mensch, ein Amerikaner aus Texas, und er sieht so jung und frisch aus, dass man es gar nicht für möglich halten möchte, dass er schon so viel von der Welt gesehen und so viele Abenteuer erlebt hat. Ich kann nun der armen Desdemona 1 nachfühlen, die gleichfalls einen solchen Wortschwall zu hören bekam, wenn auch von einem Schwarzen. Ich glaube, wir Frauen sind einfach nur so feige, dass wir glauben, ein Mann könne uns vor Gefahren beschützen, und schon heiraten wir ihn. Nun weiß ich also, wie ich es anzustellen hätte, wenn ich ein Mann wäre und ein Mädchen in mich verliebt machen möchte – oder nein, ich weiß es wohl doch nicht, denn Mr. Morris war es, der mir Geschichten erzählte, und Arthur erzählte mir nie eine, und dennoch … Aber meine Liebe, ich greife vor. Also, Mr. Quincey P. Morris fand mich allein. Es scheint so, als träfen die Männer die Mädchen immer allein – oder nein, wohl doch nicht, denn Arthur versuchte es zweimal vergeblich, eine Gelegenheit
herbeizuführen,
mich allein zu treffen, und ich |88| half ihm redlich dabei, ich schäme mich nicht, es einzugestehen. Ich muss vorausschicken, dass Mr. Morris nicht immer Slang spricht, er tut es nie in Gegenwart von Fremden oder gegenüber solchen, denn dazu ist er zu gut erzogen – er hat tadellose Manieren. Aber er merkte wohl, dass es mich amüsierte, ihn amerikanischen Slang sprechen zu hören, und wenn gerade niemand da war, der daran hätte Anstoß nehmen können, sagte er immer die drolligsten Dinge. Ich fürchte beinahe, er denkt sich das Zeug bloß aus, denn es passt immer perfekt zu dem, was er gerade sagt. Aber das ist wohl die Eigentümlichkeit des Slangs. Ob ich auch einmal Slang sprechen sollte? Ich weiß allerdings nicht, ob es Arthur gefällt, aus seinem Mund habe ich so was jedenfalls noch nie gehört. Gut, also Mr. Morris setzte sich neben mich und sah so glücklich und vergnügt wie möglich aus, aber ich konnte trotzdem bemerken, dass er sehr aufgeregt war. Er ergriff meine Hand und sagte zärtlich:
    »Miss Lucy, ich weiß wohl, dass ich nicht gut genug bin, auch nur die Bänder Ihrer kleinen Schuhe zu binden, aber ich schätze, wenn Sie auf einen Mann warten wollen, der Ihrer würdig ist, werden Sie sich den sieben Jungfrauen mit den Lampen zugesellen müssen. 2 Wollen Sie da nicht lieber neben mir anspannen, auf dass wir die lange Straße gemeinsam als Zweispänner hinunterrollen ?«
    Er sah dabei so heiter und fröhlich aus, dass es mir nicht halb so leidtat, ihm einen Korb geben zu müssen, wie bei dem armen Dr. Seward. Deshalb sagte ich, so leichtmütig ich konnte, ich wüsste nicht, wie ich dazu käme, mich anzuschirren, und wäre auch gar nicht darauf erpicht, im Geschirr zu laufen. Er erwiderte, er hätte doch nur sinnbildlich gesprochen und hoffe, ich werde es ihm nicht verübeln, dass er in einem für ihn so ernsten, wichtigen Moment solche Dinge geredet habe. Er war plötzlich |89| ernst geworden, als er das sagte, und ich konnte nicht anders, als auch ernst werden. Ich weiß, Mina, Du wirst mich für eine schreckliche Flirterin halten, aber ich konnte ein gewisses Hochgefühl nicht unterdrücken, dass er schon der Zweite an einem Tag war. Und dann, meine Liebe, schüttete er, noch bevor ich ein Wort zu sagen vermochte, eine ganze Lawine von Liebesbeteuerungen über mich aus, wobei er mir sein Herz und seine Seele zu Füßen legte. Er machte dabei ein so ernstes Gesicht, dass ich niemals mehr annehmen werde, ein bisweilen zu Späßen aufgelegter Mann wäre immer lustig und niemals ernst. Ich vermute, er sah etwas in meinem Gesicht, was ihn irritierte, denn er hielt plötzlich inne und sagte mit männlicher Entschlossenheit, wegen der allein ich ihn schon lieben könnte, wenn ich frei wäre:
    »Lucy, Sie sind ein aufrichtiges Mädchen, das weiß ich. Ich würde nicht so zu Ihnen sprechen, wenn ich nicht wüsste, dass Sie rein sind und ehrlich bis in die tiefsten Tiefen Ihrer Seele. Sagen Sie mir also freiheraus wie unter guten Kameraden: Gibt es schon einen anderen, den Sie lieben? Wenn es so ist, werde ich Ihnen niemals mehr auch nur um Haaresbreite zu nahe treten, sondern – so Sie

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